Feuerscherben
das Feuer in dem Gästehaus in Florida gelegt? Ted Jenkins war es bestimmt nicht. Er saß seit sieben Jahren im Gefängnis. Oder etwa nicht mehr?
Claire überlief es eiskalt bei dem Gedanken an die Diskussionen, die sie kürzlich im Fernsehen verfolgt hatte. Darin war es um die vorzeitige Entlassung von Strafgefangenen gegangen, selbst von gewalttätigen Mördern, weil die Gefängnisse überfüllt waren. War es denkbar, dass Ted Jenkins entlassen worden war?
»Dad – Andrew … Weißt du, ob Ted Jenkins noch im Gefängnis ist?«, fragte sie atemlos.
»Natürlich ist er das.« Andrew schwieg einen Moment. »Zumindest nehme ich es an«, fügte er einschränkend hinzu. Selbstverständlich habe ich es nicht nachgeprüft. Ich bin davon ausgegangen, dass man uns von seiner Entlassung verständigen würde. Vielleicht irre ich mich. Er könnte begnadigt worden sein, ohne dass wir es erfahren haben. Weshalb fragst du?«
»Wegen des Feuers in deinem Gästehaus in Florida«, antwortete Claire. »Meinst du, es könnte ein Racheakt von Ted Jenkins gewesen sein?«
»Das erscheint mir ziemlich unwahrscheinlich«, antwortete Andrew. »Bei seiner Verhaftung litt Jenkins an einem fortgeschrittenen Stadium von Schwachsinn infolge seines Alkoholkonsums. Er dürfte geistig kaum in der Lage sein, mich in Palm Beach aufzuspüren, und wenn seine Rachegelüste noch so groß sind.«
»Im Gefängnis gibt es keinen Alkohol«, erinnerte Claire ihn. »Zumindest nicht genug, um sein Gehirn damit aufzuweichen. Falls er trocken geworden ist, könnte sein Verstand zurückgekehrt sein.«
»Stimmt. Aber weshalb sollte er einen Groll gegen mich oder ein anderes Familienmitglied hegen? Die Polizei hat ihn gefunden und verhaftet. Wir hatten nichts damit zu tun.«
»Könntest du trotzdem feststellen, wo er jetzt ist und was er tut?«, fragte Claire und wunderte sich, welch eine absurde Wendung das Gespräch genommen hatte. Weshalb in aller Welt bat sie Andrew, sein eigenes Alibi zu überprüfen?
»Ja, gern. Das dürfte mit einigen Telefongesprächen erledigt sein.« Andrews Stimme wurde etwas lebhafter. »Heißt das, du bist bereit, dich heute Abend mit mir zu treffen? Ich bin sicher, es würde sich für uns beide lohnen.«
»Ich weiß nicht recht … Ich habe eine Menge zu tun.« Der Verstand sagte Claire, dass sie Andrew und sich ein offenes Gespräch schuldig war. Seelisch fiel es ihr nicht so leicht, sich der Vergangenheit zu stellen. Manchmal hatte sie das Gefühl, ihr Leben wäre ein Raum, in dessen Mitte sich eine Abfallgrube befand. Sooft sie die Umgebung säuberte und desinfizierte, der faule Kern im Innern gewann immer wieder die Oberhand und verpestete alles.
Ist es nicht an der Zeit, der absurden Situation ein Ende zu bereiten?, überlegte Claire.
Bebend holte sie Luft. Die Worte, die sie sagen wollte, waren so gewöhnlich, so banal. Trotzdem fiel es ihr furchtbar schwer, sie auszusprechen. »Soll ich mit dem Shuttle nach New York kommen? Ich nehme an, ich könnte es heute Nachmittag schaffen und wäre zum Abendessen in Mutters Wohnung. Dort können wir meinetwegen reden. Schaden kann es sicher nicht.«
»Nein«, antwortete Andrew sofort. »Machen wir es umgekehrt. Ich fliege nach Boston und besuche dich. Ich könnte mir vorstellen, dass dir das Gespräch leichter fällt, wenn du in deinen eigenen vier Wänden bist und außer uns niemand anwesend ist. Wir müssen aufrichtig über unsere Probleme reden, ohne dass deine Mutter zuhört und zwischen uns vermitteln will. Dies geht nur dich und mich etwas an, Claire, sonst niemand.«
Sofort kehrten Claires alte Zweifel zurück. »Nur du und ich? Wir beide ganz allein?«, fragte sie spöttisch. »Das ist mir nicht recht, Andrew. Wenn du Mutter nicht in die Sache hineinziehen möchtest, werde ich mit Sicherheit einen anderen Zeugen zu dem Gespräch in meinem Atelier hinzuziehen.«
»Wenn du es für ratsam hältst … «
»Ich halte es für unabdingbar«, erklärte Claire kühl. »Mir liegt sehr viel daran, unsere Begegnung zu überleben.«
Zum ersten Mal klang Andrew verärgert. »Meine Güte, Claire. Schon der Gedanke, dass ich dir etwas antun könnte, ist absurd … Nein, schlimmer, er ist obszön.«
»Ben Maxwell wird dabei sein«, unterbrach sie ihn. »Und für den Fall, dass du dir etwas einfallen lässt, damit wir doch allein sind, werde ich meine Freundin Sonya von deinem Kommen verständigen. Erinnerst du dich an Sonya Harvey? Ihr habt euch vor meiner Haustür kennengelernt,
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