Feuerscherben
als sie mir mitteilen wollte, dass Hal Doherty ermordet wurde.«
»Ich erinnere mich. Sie ist eine Journalistin vom,Boston Globe’.«
»Richtig. Verlass dich darauf: Sie würde nicht zulassen, dass mein Tod ungeprüft bleibt, und wenn es noch so sehr nach einem Unfall aussieht. Falls ich aus einem Fenster stürze oder mit meinem Wagen verunglücke, wirst du garantiert der Hauptverdächtige bei der Suche nach dem Mörder sein.«
Einen Moment herrschte Stille am anderen Ende der Leitung. Dann sagte Andrew mit unverkennbarem Überdruss: »Ich kann einfach nicht glauben, dass du solche Vorsichtsmaßnahmen für erforderlich hältst. Meine Güte, Claire, ahnst du nicht, wie schmerzlich dieses entsetzliche Misstrauen für mich ist?«
»Und hast du eine Ahnung, wie schmerzlich es für mich war, festzustellen, dass mein angeblicher Vater mich umbringen wollte?«
Die Stille vibrierte vor Spannung. »Wir scheinen uns ständig im Kreis zu drehen«, sagte Andrew endlich. »Vielleicht sollten wir erst weiterreden, wenn wir uns von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Wir sehen uns heute Abend, Claire. Ich muss noch einige Informationen einholen, bevor wir uns treffen. Spätestens gegen acht Uhr bin ich bei dir im Atelier. Dann reden wir miteinander.« Er legte auf, bevor sie antworten konnte.
Andrew hat die Verbindung unterbrochen, als hätte er Angst vor den schlimmen Dingen, die ich ihm als Nächstes an den Kopf werfen könnte, dachte Claire. Einen Moment bedauerte sie ihre Worte und überlegte, ob sie sich die letzten sieben Jahre vor dem falschen Menschen versteckt hatte. Dann verdrängte sie den Gedanken. Bevor sie endgültig einsah, dass Dianna Mason bei einem tragischen Verkehrsunfall ums Leben gekommen war und Ted Jenkins das Feuer in Vermont und Florida gelegt hatte, musste man ihr absolut stichhaltige Beweise dafür vorlegen.
Sie ließ sich das Gespräch mit Andrew noch einmal durch den Kopf gehen, und ihr fiel etwas auf. Obwohl sie ihn mehrmals eindeutig beschuldigt hatte, einen Mordanschlag auf sie verübt zu haben, hatte er sich kein einziges Mal energisch dagegen gewehrt. Weshalb nicht?
Claire konnte unmöglich weiterarbeiten. Angesichts der seltsamen Stimmung, in der sie sich befand, hätte sie sich eher ein Fingerglied abgeschnitten, als ein zufriedenstellendes Muster graviert. Sie setzte ihre Schutzbrille ab und legte sie auf den Tisch. Dann griff sie zum Telefon und rief Bens Büro in Pittsburgh an.
Es war ausgesprochen tröstlich, dass Ben heute Abend nach Boston kommen wollte und bei dem schweren Gespräch mit Andrew anwesend sein würde. Aber so lange konnte sie nicht warten. Sie musste unbedingt sofort mit ihm reden. Vielleicht beruhigte sie sich ein bisschen, nachdem sie mit ihm über Andrews Besuch gesprochen hatte.
Die Nummer, die sie wählte, war eine Direktverbindung in Bens Büro, bei der sich keine Sekretärin einschaltete. Claire ließ den Apparat mehrmals läuten und war schon halb überzeugt, dass Ben nicht in seinem Zimmer war, da wurde der Hörer abgenommen.
»Apparat Ben Maxwell«, sagte eine männliche Stimme.
»Roger? Bist du es? Hier ist Claire.«
»Claire, wie schön, deine Stimme zu hören.« Roger klang höflich wie immer. Doch sie spürte, dass er es eilig hatte. »Wie geht es dir? Ich hoffe, gut.«
»Ja, mir geht es gut«, antwortete sie. »Ich muss unbedingt mit Ben sprechen, falls er einen Moment Zeit für mich hat.«
»Tut mir leid, dir den Spaß zu verderben, große Schwester. Ben hat eine Besprechung mit unseren Projektmanagern. Kann ich dir helfen?«
»Könntest du ihm etwas ausrichten? Es ist ziemlich wichtig, sonst würde ich dich nicht darum bitten. Ich merke, dass du sehr beschäftigt bist.«
»Natürlich, nur keine Hemmungen. Ich habe einen Stift und Papier zur Hand. Schieß los.«
»Andrew ist bei Evelyn in New York und kommt heute Abend zu mir.« Umso besser, wenn Roger ebenfalls Bescheid weiß, dachte Claire. Vielleicht irrte sie sich gewaltig in Andrew, vielleicht auch nicht. Jedenfalls wollte sie kein Risiko eingehen und lieber zu viele Vorsichtsmaßnahmen treffen als zu wenige. Immerhin hatte Andrew darauf bestanden, nach Boston zu kommen und ihren Vorschlag, nach Manhattan zu fliegen, strikt abgelehnt. Genau genommen hatte sie nur sein Wort, dass er in Evelyns Penthouse war. Falls er gelogen hatte, ahnte Evelyn vermutlich nicht einmal, dass ihr Mann heute Abend ihre Tochter besuchen wollte. Je mehr Menschen davon wussten, desto sicherer würde es
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