Feuerscherben
musst dich sehr über seinen Anruf gefreut haben. War es das erste Gespräch nach der Beerdigung deiner Mutter?«, fragte Claire behutsam. Sie wusste, dass sie ein heikles Thema berührte.
»Ja. Am nächsten Wochenende findet ein Gedenkgottesdienst für Hal statt. Mein Bruder bot mir an, bei ihm zu übernachten, falls ich an der Trauerfeier teilnehmen möchte.«
»Ich bin wirklich froh, dass er dich eingeladen hat«, sagte Claire. »Das ist wunderbar. Es macht die schlimmen Dinge, die er dir beim Tod deiner Mutter an den Kopf geworfen hat, zwar nicht ungesagt. Aber es ist zumindest ein Anfang.«
»So betrachte ich es auch.« Sonya konnte ihre Erleichterung nicht verbergen. »Er hat die goldigsten Kinder, die du dir vorstellen kannst. Der Gedanke, sie nie wiederzusehen, war mir unerträglich.« Sie schob die Hände in die Taschen ihres Baumwollrocks. »Es ist zum Verzweifeln. Die Familie kann einen noch so wahnsinnig machen, man schafft es einfach nicht, sie ganz aus seinem eigenen Leben zu verbannen.«
»Ich weiß«, sagte Claire. »Ich weiß verteufelt genau, was du meinst.« Sie berührte die Schulter der Freundin. »Ich werde dich auf dem Laufenden halten, wie das Gespräch mit Andrew heute Abend ausgegangen ist.«
»Tu das«, sagte Sonya. Ihr kurzer sentimentaler Moment war vorüber. »Halt die Augen auf, Kindchen. Ich habe nicht viele Freundinnen, die Millionärinnen sind. Deshalb würde ich dir gern noch einige tolle Abendessen entlocken, bevor du als Wasserleiche im Bostoner Hafen endest.«
Claire musste unwillkürlich lachen. »He, solange ich Freundinnen wie dich habe, brauche ich mir wenigstens nicht den Kopf darüber zu zerbrechen, ob sie mich mögen, weil ich viel Geld besitze oder weil ich ein großartiger Mensch bin.«
»Pass auf dich auf, Liebes«, sagte Sonya erneut. »Vergiss nicht, ich freue mich wirklich auf diese Essen.«
Zwischen zwei Besprechungen eilte Ben zum Schreibtisch seiner Sekretärin und nahm die telefonischen Mitteilungen entgegen, die inzwischen gekommen waren. »Etwas Wichtiges dabei?«, fragte er und blätterte die gelben Zettel durch, die alle den Stempel »Dringend« trugen.
»Nur die üblichen Notrufe aus drei Kontinenten«, antwortete Nancy lächelnd.
Ben lächelte zurück und blickte auf seine Armbanduhr. Es war beinahe drei. Heute war wieder solch ein Tag voller Termine, der vorüber zu sein schien, bevor er richtig begonnen hatte. »Muss etwas sofort erledigt werden? Ich komme jetzt schon zu spät zu meinem Gespräch mit Sanchez.«
Nancy schüttelte den Kopf. »Bis Montag wird schon nichts zusammenbrechen.«
»Keine persönlichen Anrufe? Irgendwelche Nachrichten?«
»Nein. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass drinnen ein Anruf für Sie gekommen war … « Sie sprach nicht weiter, denn das Telefon auf ihrem Schreibtisch läutete erneut, und sie hob den Hörer ab. »Sekretariat Ben Maxwell.«
Ben hörte eine leise weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung. Claire war es nicht. Ihren verlockenden Tonfall hätte er sofort erkannt. Er drehte sich um und wollte gehen. Sanchez, der Projektmanager für die Seniorensiedlung in Daytona Beach, wartete schon den ganzen Nachmittag auf ihn. »Ich glaube, diesen Anruf sollten Sie selber entgegennehmen, Ben«, rief Nancy ihm nach, bevor er draußen war.
»Wer ist es?«, fragte er und kehrte zurück. »Sanchez muss unbedingt sein Flugzeug erreichen. Ich habe höchstens zwei Minuten.«
»Es ist eine Frau. Sie sagt, es sei etwas Persönliches, und will ihren Namen nicht nennen. Mir scheint, sie ruft aus einer öffentlichen Telefonzelle an. Sie klingt furchtbar aufgeregt.«
Claire!, dachte Ben. Er eilte in sein Büro und nahm den Hörer ab. Offensichtlich erkannte er ihre Stimme doch nicht gleich. Was war passiert? »Hallo, hier ist Ben Maxwell.«
»Kann jemand mithören?«, fragte eine weibliche Stimme. »Nein.« Ben atmete erleichtert auf. Die Anruferin war nicht Claire. »Diese Leitung läuft nicht über die Zentrale«, versicherte er der Frau.
»Ist Roger da?« Sie sprach so leise, dass er sie kaum verstand. Ben runzelte die Stirn, denn er erkannte die Stimme. So nervös hatte er Andrews Köchin noch nie erlebt. Warum rief sie an? Und weshalb klang sie so verängstigt? Das passte gar nicht zu ihr.
»Nein, Roger ist nicht hier«, antwortete er. »Und die Leitung ist garantiert abhörsicher. Niemand außer mir hört, was Sie sagen. Sie sind Sharon, nicht wahr? Sharon Kruger.«
»Erwähnen Sie meinen Namen
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