Feuerscherben
nicht.« Sharons Stimme klang beinahe schrill vor Angst. »Ich bin am Flughafen in Miami und fliege gleich nach Mexiko. In fünf Minuten bin ich verschwunden.«
»Sagen Sie mir, was Sie auf dem Herzen haben«, forderte Ben sie auf und warf erneut einen Blick auf die Uhr. Er wollte nicht ungeduldig werden. »Kann ich Ihnen in irgendeiner Weise behilflich sein?«
»Nein, nicht mir. Mir können Sie nicht helfen. Ich bin endlich zu Verstand gekommen.« Selbst durch die tausend Meilen lange Glasfiberleitung hörte Ben die Mischung aus Verbitterung und Hysterie in ihrer Stimme.
»Legen Sie nicht auf, Sharon«, sagte er rasch, denn er spürte, dass Sharon die Verbindung jeden Moment unterbrechen konnte. »Was ist passiert? Wenn Sie es mir nicht sagen, kann ich Ihnen nicht helfen.«
»Nicht ich brauche Ihre Hilfe«, antwortete sie. »Ich habe fünfzigtausend Dollar auf meinem Konto. Das ist mehr Geld, als ich mein Leben lang gesehen habe. Aber ich habe mir jeden Dollar verdient.« Sie schniefte verächtlich. Es klang wie eine Mischung aus einem Schluchzer und Gelächter. »Wollen Sie wissen, woher ich es habe?«
»Ja, das möchte ich.«
»Roger hat es mir gegeben«, stieß sie hervor, und ihre Worte überschlugen sich beinahe. »Er gab mir das Geld, damit ich das Land verlasse und niemandem erzähle, dass er mich vorgestern Nacht beinahe umgebracht hätte.«
»Roger hätte Sie beinahe umgebracht?«, fragte Ben erschrocken. Sharons Beschuldigung klang so absurd, dass sie beinahe keinen Sinn machte.
»Ja. Das passt nicht zu dem Bild des fleißigen ehrgeizigen Roger Campbell, der keiner Fliege etwas zuleide tun kann, nicht wahr? Er drückte ein Kissen auf mein Gesicht und hätte mich fast erstickt.« Sharon lachte unbarmherzig. »Es war immer ein bisschen seltsam, mit ihm zu schlafen. Aber das machte mir nichts aus. Ich ließ mich auf seine merkwürdigen sexuellen Praktiken ein, weil ich hoffte, er würde mich eines Tages heiraten. Ganz schön naiv, nicht wahr? Vor zwei Tagen drehte er durch. Er drehte richtig durch. Erst hätte er mich beinahe ertränkt, anschließend vergewaltigte er mich.«
Ben atmete erleichtert auf. Er war schockiert über Sharons Enthüllungen und nahm ihre Beschuldigung, Roger hätte sie vergewaltigt, durchaus ernst. Aber zwischen grobem Sex, der außer Kontrolle geraten war, und einem Mordversuch bestand ein erheblicher Unterschied. »Sharon, wenn ich Ihnen aus dieser Situation heraushelfen soll, müssen Sie mir genau erzählen, was passiert ist. Die vollständige Geschichte. Holen Sie tief Luft, und fangen Sie noch einmal ganz von vorn an.«
»Dafür ist keine Zeit mehr«, sagte sie. »Außerdem kann ich auf mich selber aufpassen. Aber die Campbells waren immer sehr gut zu mir, vor allem Andrew. Ich möchte nicht, dass Roger großes Leid über die Familie bringt. Deshalb muss ich jemanden warnen. Und nachdem Sie sich in Claire – in Dianna, oder wie sie richtig heißt – verliebt haben … « Sie redete nicht weiter. »Mein Flug wird aufgerufen. Ich muss los. Ich muss weg aus Florida – weg von ihm … «
»Einen Moment noch, Sharon!«, rief Ben und riss sich sofort zusammen. »Nach dem ersten Aufruf sind noch mindestens zwanzig Minuten Zeit bis zu Ihrem Abflug«, versicherte er ihr, um sie zu beruhigen. »Das reicht auf jeden Fall, um mir zu sagen, weshalb Sie mich angerufen haben. Was sollten wir Ihrer Meinung nach wissen? Ist es noch etwas über Roger?«
»Ja, es ist noch etwas über Roger«, wiederholte Sharon spöttisch. »Er will Claire umbringen, das weiß ich genau. Der Kerl ist wahnsinnig und gehört dringend hinter Gitter, bevor er jemandem ernsthaft schaden kann.«
Roger wollte Claire umbringen! Sharons Worte trafen Ben wie ein Schlag. Er zwang sich zur Ruhe und überlegte angestrengt. Er musste jetzt unbedingt die richtigen Fragen stellen.
»Legen Sie nicht auf, Sharon! Wie will Roger Claire töten? Und wann? Woher wissen Sie das?« Er brüllte beinahe ins Telefon. Doch er hörte nur noch das Freizeichen. »Sharon!«, schrie er aufgeregt und trommelte auf die Gabel. »Verdammt, erzählen Sie mir auch die restliche Geschichte!«
Das Freizeichen tönte gleichmäßig weiter.
Ben warf den Hörer auf, eilte zur Tür und riss sie auf. »Wo ist Roger?«, fragte er seine Sekretärin.
»Sie müssen ihn gerade verpasst haben«, antwortete Nancy. »Er sagte, er hätte noch einen Termin.«
»Wo? Hier im Bürogebäude?«
»Das weiß ich nicht.«
»Rufen Sie sofort den
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