Feuersee
außerhalb der Festungsmauern.
Während der Blütezeit von Nekropolis
erwählte
der damalige Herrscher, Kleitus III. die Festung zu seiner Residenz.
Der Adel
baute sich prächtige Wohnsitze in nächster
Nähe, und daran schlossen sich die
übrigen Stadtviertel an, gestaffelt nach Rang und Besitz.
Tomas’ Haus war ungefähr in der Mitte
zwischen
den Häusern der Armen an der äußeren
Stadtmauer und den Häusern der Reichen am
Fuß des Festungswalls gelegen. Alfred, niedergeschlagen und
erschöpft von der
Reise, war unsäglich froh, aus dem Zwielicht und dem
Nieselregen in ein Zimmer
zu treten, das warm und hell erleuchtet war.
Tomas entschuldigte sich bei seinen Gästen
für
die Bescheidenheit des Hauses, das wie die meisten Wohnstätten
in der Höhle
schmalbrüstig und in die Höhe gebaut war, um Platz zu
sparen.
»Mein Vater gehörte dem niederen Adel an.
Er
vererbte mir das Recht, zusammen mit anderen Höflingen im
Palast herumzulungern
und auf ein Lächeln Seiner Majestät zu hoffen, sonst
nichts«, sagte Tomas mit
einem Unterton von Verbitterung. »Jetzt steht er bei den
Toten herum und ich
bei den Lebenden. Kein großer Unterschied.«
Der Graf rieb sich die Hände. »Das wird
sich
alles bald ändern. Nach der Revolution.«
»Nach der Revolution«, wiederholten die
anderen
im Chor. Es klang wie eine Beschwörung.
Alfred seufzte bedrückt, sank in einen Sessel
und fragte sich, was er tun sollte. Der Hund rollte sich zu seinen
Füßen
zusammen, und er betrachtete das dösende Tier voller Neid. Er
fühlte sich wie
betäubt, unfähig, klar zu denken und aus eigenem
Antrieb zu handeln. Er war
kein Mann der Tat wie Haplo.
Ich setze nichts in Gang, überlegte Alfred
traurig. Ich werde viel mehr gegängelt. Er hatte das
Gefühl, etwas unternehmen
zu müssen, um dem Brauch der Nekromantie auf dieser Welt ein
Ende zu machen.
Doch er war weder eine Kämpfernatur noch auch nur besonders
weise. Der einzige
Gedanke in seinem Kopf, sein einziger Wunsch war, dieser grauenhaften
Welt zu
entfliehen, sie zu vergessen und niemals wieder daran erinnert zu
werden.
»Entschuldigung«, sagte der Herzog, trat
näher
und berührte Alfred höflich mit den Fingerspitzen an
der Schulter.
Alfred zuckte zusammen und hob ihm das
erschreckte Gesicht entgegen.
»Fühlt Ihr Euch wohl?« erkundigte
sich Jonathan
besorgt.
Alfred nickte und murmelt etwas von einem
ermüdenden Marsch.
»Ich glaube verstanden zu haben, daß Ihr
an der
Geschichte unserer Kriege interessiert seid. Meine Frau, der Graf und
Tomas
haben sich zusammengesetzt, um die Strategie der Entführung
auszuarbeiten. Mich
haben sie weggeschickt.« Jonathan zuckte mit den Achseln.
»Ich eigne mich nicht
dazu, komplizierte Pläne zu schmieden. Statt dessen habe ich
die Aufgabe, Euch
zu unterhalten. Aber wenn Ihr zu müde seid und Euch lieber
zurückziehen
möchtet, wird Tomas Euch zu Eurem Zimmer führen
…«
»Nein, nein!« Das letzte, was Alfred
wollte,
war, mit seinen Gedanken alleingelassen zu werden. »Ich
wäre sehr interessiert
daran, etwas zu erfahren über – Kriege.«
Er mußte sich zwingen, das Wort
auszusprechen.
»Ich weiß nur über die Kriege
Bescheid, die man
hier in dieser Region geführt hat.« Jonathan holte
einen Stuhl herbei und
setzte sich. »Tee? Kekse? Nicht hungrig. Wo soll ich
anfangen? Nekropolis war
anfangs nur ein unbedeutender Stützpunkt, ein Ort, an dem
Siedler warteten, bis
sie zu anderen Teilen Abarrachs weiterziehen konnten. Doch nach einiger
Zeit
schauten die Sartan und die Nichtigen sich mit offenen Augen um und
fanden, es
ließe sich hier gut leben und sie könnten sich
ebensogut an Ort und Stelle
niederlassen. Die Stadt wuchs schnell. Das Land war fruchtbar; was man
anbaute,
gedieh. Im Gegensatz zu den Nichtigen.«
Jonathan sagte es in einem sorglosen,
unbekümmerten Ton, der Alfred befremdete.
»Ihr tragisches Ende scheint Euch nicht sehr zu
berühren«, meinte er mit leichtem Tadel.
»Sollten die Stärkeren den Schwächeren
nicht beistehen in der Not?«
»Oh, ich glaube, unsere Vorfahren waren zuerst
aufrichtig betroffen«, verteidigte sich Jonathan.
»Aber es ist wirklich nicht
ihre Schuld gewesen. Die versprochene Hilfe von den Welten jenseits
blieb aus.
Der Aufwand an Magie, um die Nichtigen in dieser ungastlichen Welt am
Leben zu
erhalten, war einfach zu groß. Unsere Vorfahren hatten nicht
die Kraft. Sie
konnten nichts
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