Feuersee
schüttelte. Der Graf schnaufte
laut. Jonathan
schaute verblüfft von einem zum anderen.
»Also hört mal …« fing
er an.
»Noch etwas Tee?« warf Jera ein, hob den
Keramikkessel und hielt ihn über Alfreds Tasse.
»Nein, vielen Dank, Herzogin.«
Sonst wurde nichts gesprochen. Jonathan wollte
etwas sagen, doch ein Blick seiner Frau hieß ihn schweigen.
Die einzigen
Geräusche waren das schwere Atmen des Hundes und das
gelegentliche Klirren von
Besteck. Alle am Tisch wirkten ungeheuer erleichtert, als Tomas
schließlich
aufstand.
»Wenn Ihr mich entschuldigen wollt.« Er
verneigte sich vor Jera. »Es ist Zeit für mein
Erscheinen bei Hofe. Obwohl ich
völlig unbedeutend bin, sollte ich besonders an diesem Zyklus
unbedingt
vermeiden, Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Ich muß mich
zur gewohnten Zeit
am gewohnten Ort sehen lassen.«
Alfred hielt sich im Hintergrund, bis die Gruppe
auseinandergegangen war, um zu tun, was noch getan werden
mußte. Tomas war
allein im Erdgeschoß und auf dem Weg zur Tür, als
plötzlich eine Gestalt
auftauchte und ihn am Ärmel zupfte. Kreidebleich und mit weit
aufgerissenen
Augen fuhr er herum.
»Verzeihung«, sagte Alfred verdutzt.
»Ich wollte
Euch nicht erschrecken.«
Tomas runzelte bei seinem Anblick die Stirn.
»Was wollte Ihr denn von mir?«
fragte er ungehalten und schüttelte
Alfreds Hand ab. »Ich bin ohnehin schon zu
spät.«
»Wäre es vielleicht möglich
– könntet Ihr mit
Eurem Gewährsmann im Verlies sprechen und ihn fragen, wie es
meinem Freund
geht?«
»Was gibt’s da zu fragen? Er lebt, wie Ihr
es
gesagt habt«, entgegnete Tomas ungehalten. »Mehr
weiß ich auch nicht.«
»Aber Ihr könntet Euch heute nochmals
erkundigen
…« Alfred war selbst erstaunt über seine
Beharrlichkeit. »Ich habe das Gefühl,
daß er krank ist. Ernsthaft krank.«
»Etwa wegen des Hundes?«
»Bitte …«
»Nun gut. Ich werde sehen, was ich tun kann.
Aber ich verspreche nichts. Und jetzt muß ich
gehen.« »Vielen Dank, das ist
alles, was ich …«
Aber Tomas war bereits aus der Tür und
verschwand im Gewimmel der Lebenden und Toten in den
Tunnelstraßen von
Nekropolis.
Alfred setzte sich neben den Hund und
streichelte das weiche Fell. Der Zustand des Tieres war
besorgniserregend.
Gegen Ende des Zyklus kehrte Tomas zurück. Es
war kurz vor des Herrschers Tischzeit, wenn die unglücklichen
Höflinge, die
keine Einladung zum Essen ergattert hatten, in ihre eigenen vier
Wände
zurückkehrten.
»Nun, was gibt es Neues?« erkundigte sich
Jera.
»Steht alles zum besten?«
»Es steht alles zum besten«, erwiderte
Tomas
ernst. »Seine Majestät wird den Prinzen
während der Halblichtstunde 12 wiedererwecken.«
»Und wir haben die Erlaubnis, die
Königinmutter
zu besuchen?«
»Die Königin war sehr erfreut und hat es
mir
höchstselbst bestätigt.«
Jera nickte ihrem Vater zu. »Alles ist bereit.
Ich frage mich allerdings, ob wir nicht …«
Tomas warf einen vielsagenden Blick auf Alfred,
und die Herzogin verstummte.
»Entschuldigt mich.« Alfred erhob sich
steif.
»Ich werde Euch allein lassen …«
»Nein, wartet.« Tomas hob die Hand. Der
Ausdruck
seines ohnehin ernsten Gesichts verriet Besorgnis. »Ich habe
Nachrichten für
Euch, die uns alle betreffen. Bevor er heute morgen den Palast
verließ, hatte
ich Gelegenheit, mit meinem Gewährsmann, dem Bewahrer von der
Spätschicht zu
sprechen. Es tut mir leid, Euch sagen zu müssen, daß
es stimmt, was Ihr
befürchtet habt, Alfred. Es heißt von Eurem Freund,
daß er im Sterben liegt.«
Gift.
Haplo wußte es im selben Augenblick, als die
ersten Krämpfe seine Eingeweide zusammenzogen. Er
wußte es, konnte es aber
nicht glauben. Es ergab keinen Sinn. Warum?
Er mußte sich wieder und wieder übergeben,
dann
lag er auf der Steinbank und krümmte sich unter den Schmerzen,
die sich in
seinen Leib bohrten wie glühende Dolche. Die Zunge klebte ihm
am Gaumen, er
hatte Durst. Die diensthabende Bewahrerin brachte ihm Wasser. Er hatte
gerade
noch so viel Kraft, ihr den Becher aus der Hand zu schlagen. Die
Bewahrerin
verließ fluchtartig die Zelle. Haplo fiel auf die Pritsche
zurück, sah zu, wie
das Wasser in den Ritzen im Boden versickerte und fragte sich: Warum?
Er versuchte, sich selbst zu heilen, aber seine
Bemühungen waren schwächlich, und
schließlich gab er es ganz auf. Daß er nichts
würde ausrichten können, hatte er von
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