Feuersee
während sie sich duckte, um
nicht mit dem Kopf an die feuchte Höhlendecke zu
stoßen.
»Das fragt er sich wohl auch«, meinte
Tomas mit
einem Lächeln. »Vielleicht hat er sich deshalb mit
seinen Karten und seinem
militärischen Berater eingeschlossen.«
»Vielleicht macht er sich gar keine
Sorgen«,
wandte Jonathan ein und half Alfred aufzustehen. »Nekropolis
ist noch nie
eingenommen worden.«
»Glitschiges Pflaster«, murmelte Alfred
entschuldigend und krümmte sich unter dem vernichtenden Blick
des alten Grafen.
»Hat es wirklich so viele Kriege bei euch gegeben?«
»Und ob«, antwortete Jonathan leichthin,
als
wäre die Rede von besonders pfiffigen Varianten des
Runenspiels. »Ich werde
Euch später davon erzählen, wenn Ihr interessiert
seid. Jetzt sollten wir
vielleicht möglichst leise sprechen. Wo entlang, Tomas? Ich
finde mich hier
unten nicht zurecht.«
Unter Tomas’ Führung betrat die Gruppe
einen
Irrgarten dunkler, verschachtelter Tunnel, in denen Alfred schon nach
den
ersten Schritten die Orientierung verloren hatte. Bei einem Blick
über die
Schulter sah er den Hund hinter sich herlaufen.
Die Straßen in der Nähe der Mauer waren
ausgestorben. Schmal und düster wanden sie sich durch ein
Gewirr schäbiger
Häuser und kleiner Geschäfte, teils aus schwarzen
Steinquadern errichtet, teils
in natürliche Lavaformationen hineingebaut.
Bei den Geschäften hatte man für die
Schlafzeit
die Fensterläden vorgelegt, die Häuser waren dunkel.
Viele schienen verlassen
zu sein und seit langer Zeit leerzustehen. Türen hingen schief
in den Angeln,
Lumpen und Knochenstücke lagen auf der Straße. Der
Verwesungsgeruch machte sich
in dieser Gegend ungewöhnlich stark bemerkbar. Neugierig
spähte Alfred durch
ein Fenster.
Ein leichenhaftes Gesicht schien körperlos in
der Dunkelheit zu schweben. Leere, schwarze Augenhöhlen
starrten blicklos auf
die Straße. Entsetzt stolperte Alfred zurück und
hätte beinahe Jonathan
umgestoßen.
»Langsam, langsam«, mahnte der Herzog und
stützte Alfred, bis er wieder fest auf beiden
Füßen stand. »Ich gebe zu, daß
es
ein ziemlich deprimierender Anblick ist. Der Stadtchronik zufolge soll
dies
hier ein recht hübsches Viertel gewesen sein, der Bezirk der
Arbeiter,
Handwerker und kleinen Geschäftsleute sowie der
mittelständischen Nekromanten
und Bewahrer.
Vermutlich«, fügte er leiser hinzu, nachdem
seine Frau ihm einen warnenden Blick zugeworfen hatte,
»könnte man sagen, daß
sie immer noch hier wohnen, aber sie leben nicht mehr.«
So deprimierend wirkten die verlassenen Straßen
mit den gruftähnlichen Behausungen, daß Alfred einen
Seufzer der Erleichterung
ausstieß, als sie endlich zu einem
größeren Tunnel gelangten, in dem Passanten
unterwegs waren. Dann erst fiel ihm ein, daß es Gefahr
bedeutete, wenn der Hund
entdeckt wurde. Trotz Jeras halblauter Versicherung, er brauche keine
Angst zu
haben, drückte Alfred sich furchtsam an der Mauer entlang und
mied den
schwachen Lichtkreis der zischenden Lampen. Der Hund folgte ihm auf den
Fersen,
als wüßte er Bescheid und gäbe sich alle
Mühe, möglichst wenig aufzufallen.
Die wenigen Leute gingen stumm vorbei, ohne
ihnen einen Blick zu schenken. Es dauerte eine Zeitlang, bis Alfred
begriff,
daß es keine Lebenden waren. Während der Schlafzeit
gehörten die Straßen von
Nekropolis den Toten. Die meisten Wiedergänger machten einen
zielstrebigen
Eindruck, offenbar waren sie unterwegs, um einen Auftrag
auszuführen, den sie
von Lebenden erhalten hatten. Doch hier und da traf man auf einen
Wiedergänger,
der planlos umherirrte oder mit etwas beschäftigt war, das er
während der
Wachzeit hätte erledigen sollen. Nekromanten patrouillierten
die Straßen von
Nekropolis und griffen Tote auf, die verwirrt zu sein schienen, ihren
Auftrag
vergessen hatten oder zu einer Belästigung wurden. Alfred und
seine Begleiter
gingen ihnen aus dem Weg und verbargen sich im Schatten von
Hauseingängen, bis
die schwarzgekleideten Magier vorüber waren. Nekropolis
bestand aus mehreren
Halbkreisen um die Festung, die sich ursprünglich allein
hinter der schützenden
Einfriedung von Stalagmiten erhoben hatte, bewohnt von einer kleinen
Gruppe
Nichtiger und Sartan. Doch als mehr und mehr Leute sich auf Dauer in
der Region
anzusiedeln begannen, wurde die Bevölkerung zu zahlreich, und
es entstanden die
ersten Behausungen
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