Feuersee
Anfang an
gewußt. Ein schlaues,
verschlagenes Hirn – das Hirn eines Sartan – hatte
diesen Mord ersonnen. Das
Gift war stark, es wirkte im gleichen Maße auf seine Magie
wie auf seinen
Körper. Die komplexe, eng verknüpfte Runenstruktur,
Essenz seines Lebens,
zerfiel, und er war nicht imstande, sie wieder
zusammenzufügen. Es war, als
würden die Ränder der Sigel zerfressen, so
daß sie sich nicht mehr miteinander
verbinden ließen. Warum?
»Warum?«
Es dauerte einen Moment, bis Haplo begriffen
hatte, daß seine Frage laut wiederholt worden war, von einer
Stimme, die nicht
ihm gehörte. Er hob den Kopf, und seine trüben Augen
richteten sich auf den
Herrscher vor der Gittertür der Zelle.
»Warum was?« fragte Kleitus gelassen.
»Warum – mich ermorden?«
stieß Haplo abgehackt
hervor. Er würgte, krümmte sich und krallte die
Finger in den Bauch. Schweiß
strömte ihm über das Gesicht, er
unterdrückte nur mit Mühe einen qualvollen
Aufschrei.
»Aha, Ihr begreift, was mit Euch geschieht.
Schmerzhaft,
ja? Wir bedauern das aufrichtig, aber Wir brauchten ein langsam
wirkendes Gift
und hatten nicht viel Zeit, etwas Subtileres zu entwickeln. Das Mittel
ist
primitiv, aber wirksam. Wird es Euch töten?«
Der Herrscher hätte ein Professor sein
können,
der von einem seiner Schüler wissen will, ob sein
alchimistisches Experiment
erwartungsgemäß verläuft.
»Allerdings wird es mich töten!«
knirschte
Haplo.
Er war zornig. Nicht zornig, weil er sterben
mußte. Schon einmal hatte er an der Schwelle des Todes
gestanden, als die
Chaodyn ihn angriffen, aber damals war er mit sich zufrieden gewesen.
Er hatte
gut gekämpft, seinen Feinden die Stirn geboten. Er war Sieger
geblieben.
Diesmal starb er einen schändlichen Tod, starb durch
die Hand eines anderen
und ohne sich verteidigen zu können.
Er schnellte von der Pritsche und warf sich
gegen die Zellentür. Auf dem Boden liegend streckte er die
Hand aus und bekam
den Saum der Robe des Herrschers zu packen, bevor der
überrumpelte Herrscher
Gelegenheit hatte zurückzuweichen.
»Warum?« verlangte Haplo zu wissen. Er
klammerte
sich an den schwarzen, purpurn getönten Stoff wie ein
Ertrinkender. »Ich hätte
Euch zum Todestor geführt!«
»Aber dazu bedürfen Wir Eurer
nicht«, entgegnete
Kleitus liebenswürdig. »Uns ist bekannt, wo sich das
Todestor befindet. Wir
sind durchaus imstande, es zu passieren. Wir brauchen Euch nur
– deshalb.« Er
bückte sich und berührte die tätowierte
Hand, die sich in sein Gewand gekrallt
hatte.
Haplo biß die Zähne zusammen,
ließ aber nicht
los. Lange, bleiche Finger zeichneten die Runen auf seiner Haut nach.
»Jetzt begreift Ihr wirklich. Die Toten zu
erwecken und zu erhalten verbraucht zuviel von Unserer magischen Kraft.
Erst
durch Euer Auftauchen wurde Uns bewußt, wie schwach Wir sind.
Ihr habt versucht.
Eure Macht nicht zu zeigen, aber Wir haben sie gespürt. Ein
Speer, hundert
Speere – sie würden nicht einmal Eure Haut geritzt
haben. Und hätten Wir diese
Festung über Euch einstürzen lassen, Ihr
wärt heil und gesund unter den
Trümmern zum Vorschein gekommen.« Die Fingerspitzen
glitten versonnen über die
Sigel. Haplos Augen folgten ihnen wie hypnotisiert.
»Unsere Magie ist ausgelaugt. Aber die Eure
wäre
ein Machtfaktor für Uns! Deshalb legen Wir
größten Wert auf Euren unversehrten
Körper. Die Runengefüge müssen
vollständig, unbeschädigt erhalten bleiben,
damit Wir sie in Ruhe studieren können. Als
Wiedergänger werdet Ihr überdies
gerne bereit sein. Uns die Bedeutung der Sigel zu erklären.
›Barbarisch‹
nannten unsere Vorfahren Eure Magie. Dummköpfe. Wenn Uns
außer der eigenen noch
Eure Macht zu Gebote steht, sind Wir unüberwindlich! Sogar
für Euren
sogenannten Herrscher des Nexus.«
Haplo rollte auf den Rücken. Seine kraftlosen
Finger lösten sich aus dem Stoff des Gewandes, die Hand fiel
schlaff zu Boden.
»Wir mußten bei Unserem Plan zudem noch
Euren
Gefährten berücksichtigen, Euren Verbündeten
– den Mann, der den Toten den Tod
bringt.«
»Kein Freund«, wisperte Haplo, der kaum
mehr
wußte, was um ihn herum vorging. »Feind.«
Kleitus lächelte. »Jemand, der sein Leben
aufs
Spiel setzt, um das Eure zu retten? Das glauben Wir nicht. Einiges, was
er den
Mann sagen hörte, hat Tomas zu der Überzeugung
gebracht, daß er Nekromantie
verabscheut und nicht herkommen
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