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Feuersee

Titel: Feuersee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Weis , Tracy Hickman
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geübt.
    Nur mir war dieser Artefakt der Alten vertraut.
Ich hatte mich bereits vor langer Zeit, bei den ersten Anzeichen der
Veränderungen, die unserem Land den Untergang bringen sollten,
eingehend mit
ihm befaßt, um vielleicht eine Möglichkeit zu
finden, mein Volk zu retten.
Jedoch das Geheimnis des Kolosses liegt für alle Ewigkeit in
der Vergangenheit
begraben.
    Impulsiv zog Edmund die Pelzhandschuhe aus, um
den Fels zu berühren, mit den Fingerspitzen über die
runenbedeckte Oberfläche
zu tasten, aber plötzlich hielt er inne, aus Angst vor der
Magie, der
rätselhaften Macht des Pfeilers. Er blickte mich fragend an.
    »Nur zu«, sagte ich mit einem
Schulterzucken.
»Es gibt nichts zu befürchten. Er hat
längst die Kraft eingebüßt, etwas zu
bewirken, sei es Gutes oder Schlechtes.«
    Edmund nickte leicht, dann strich er mit der
Hand über den kalten Stein. Zögernd, beinahe
ehrfürchtig, zeichnete er das
Muster der Runen nach, deren Bedeutung und Magie aus dem
Gedächtnis unseres
Volkes entschwunden sind. Er legte den Kopf in den Nacken und
ließ den Blick an
dem Pfeiler in die Höhe gleiten, soweit der Fackelschein
reichte. Die Glyphen
setzten sich fort bis an die Grenze der Dunkelheit und darüber
hinaus.
    »Der Pfeiler erhebt sich bis zur
Höhlendecke«,
erklärte ich in dem nüchternen, sachlichen Tonfall
des Lehrers, wie ich in den
glücklichen Tagen zu ihm zu sprechen pflegte, als er im
Schulzimmer vor mir saß
und meinen Worten lauschte. »Aller Wahrscheinlichkeit nach
durchstößt er die
Decke sogar und ragt bis in den Bereich des Himmelsmeeres. Und jeder
Daumenbreit der Oberfläche ist mit diesen Runen bedeckt.
    Es ist frustrierend, aber die meisten der Sigel
vermag ich zu deuten, nur liegt die Macht der Rune nicht in dem
einzelnen
Zeichen, sondern in deren Verknüpfung. Diese
Verknüpfung ist es, die mein
Begriffsvermögen übersteigt. Ich zeichnete die
Sigelfolgen ab, nahm sie mit in
die Bibliothek und studierte sie mit der Hilfe der alten Schriften.
    Aber«, fuhr ich fort, so leise, daß nur
Edmund
mich hören konnte, »es war wie der Versuch, ein aus
Myriaden dünner Fäden
bestehendes Knäuel zu entwirren. Ich fand den Beginn eines
einzelnen Fadens,
folgte ihm, und er führte mich zu einem Knoten. Geduldig
löste ich einen Faden
heraus, dann noch einen und noch einen, bis mir der Kopf schwirrte. Ich
entwirrte einen Knoten, nur um darunter einen nächsten zu
finden. Als es mir
schließlich gelungen war, auch diesen aufzulösen,
hatte ich den ersten,
einzelnen Faden verloren. Und es sind Millionen Knoten«,
sagte ich, schaute
nach oben und seufzte. »Millionen.«
    Der König wandte dem Pfeiler abrupt den
Rücken
zu, im Fackelschein wirkte sein Gesicht hager und zerfurcht.
Während der ganzen
Zeit, die wir vor dem Koloß standen, hatte er nicht ein Wort
gesprochen. Und
auch vorher nicht, kam es mir zu Bewußtsein; er schwieg, seit
wir die Stadt
verlassen hatten. Er ging davon, zurück zur Straße.
Die Umstehenden hoben die
Kinder auf die Schultern und folgten ihm. Den Schluß machten
die Soldaten mit
den Fackeln, nur einer blieb bei dem Prinzen und mir zurück.
    Edmund stand vor dem Koloß und zog die
Handschuhe an. Ich wartete, weil ich ahnte, daß er unter vier
Augen mit mir
sprechen wollte.
    »Diese gleichen Runen oder ähnliche
bewachen
wahrscheinlich das Todestor«, bemerkte er halblaut, als er
sicher sein konnte,
daß niemand uns hörte. Der Mann, der
zurückgeblieben war, um uns zu leuchten,
hatte sich aus Höflichkeit einige Schritte entfernt.
»Auch wenn wir es fänden,
könnten wir nicht hoffen, uns Zutritt zu
verschaffen.«
    Mein Herz schlug schneller. Endlich begann er,
die Möglichkeit in Betracht zu ziehen!
    »Denkt an die Prophezeiung, Edmund«, war
alles,
was ich sagte.
    Ich wollte nicht übereifrig erscheinen oder ihn
bedrängen. Man läßt Edmund am besten seine
eigenen Überlegungen anstellen,
seine eigenen Entscheidungen treffen. Ich kam zu dieser Erkenntnis
schon, als
er noch mein Schüler war. Vorschlagen, andeuten, empfehlen.
Niemals anordnen,
ihn zwingen wollen. Versucht man es doch, wird er so hart und kalt wie
diese
Felswand, die sich mir – während ich hier sitze und
schreibe – schmerzhaft in
den Rücken bohrt.
    »Prophezeiung!« wiederholte er gereizt.
»Worte,
die vor Jahrhunderten gesprochen wurden! Falls sie sich
überhaupt jemals
erfüllen sollten, woran ich

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