Feuersee
des Kolosses vom anderen. In
dem Engpaß zwischen den gezackten Bruchstellen brodelte die
flüssige Lava.
»Das ist nicht zu schaffen« sagte Alfred
kläglich.
»Nein, von hier oben nicht.« Haplo
schätzte die
Entfernung ab. »Aber weiter unten geht es. Selbst du müßtest so weit
springen können, Sartan!«
»Aber ich werde abrutschen! Abstürzen! Ich
– ich
… Ich werde es versuchen.« Alfred schluckte und
senkte die Augen vor Haplos
geringschätzigem, zornigen Blick.
»Keine Wahl, keine Wahl, keine Wahl«, sang
Alfred anstelle der Runen vor sich hin. Mit dem Rest magischer Kraft,
der ihm
noch geblieben war, mußte er haushalten. Und doch schien die
Litanei
merkwürdigerweise zu helfen.
»Du bist ein Narr«, sagte Haplo, der ihn
hörte.
Der Patryn war ein Stück nach unten geklettert und balancierte
leichtfüßig auf
einer unebenen Felszacke. Er nahm Alfred in Empfang, als er zu ihm
herunterstieg, umfaßte seinen dünnen Arm und
stützte ihn. »Und jetzt spring!«
Alfred starrte angstvoll über einen ungeheuer
breiten Streifen schwerfällig strömender Lava.
»Nein!« Er wich zurück. »Ich
kann nicht! Das schaffe ich nie! Ich …«
»Spring!« brüllte Haplo.
Alfred beugte die Knie, und plötzlich flog er
durch die Luft. Er fuchtelte wild mit den Armen, als könnte
heftiges Flattern
ihn das entscheidende Stückchen weiter bringen, und landete
tatsächlich auf
einem Felsvorsprung etwa fünf bis sechs Meter über
dem Lavameer. Er rutschte.
Seine Hände scharrten haltsuchend über den Stein,
griffen in lockere Kiesel.
Stück für Stück rutschte er tiefer, dem
feurigen Magma entgegen. »Festhalten!«
schrie Jonathan laut.
Mit dem Mut der Verzweiflung griff Alfred nach
einer Felszacke und schöpfte Hoffnung. Seine
schweißfeuchten Finger glitten ab,
aber mit der Fußspitze fand er einen Halt, und unter
Anspannung von Muskeln,
deren Vorhandensein er nicht geahnt hatte, zog er sich auf den
Vorsprung, wo er
hockte und vor überstandenem Schreck am ganzen Leib zu zittern
begann.
Man ließ ihm keine Zeit, sich zu erholen. Bevor
er wußte, wie ihm geschah, übersprang Jonathan die
Bruchstelle. Der junge
Herzog landete geschmeidig und ohne Schwierigkeiten. Alfred ergriff
seinen Arm
und hielt ihn fest, bis er sicheren Stand gefunden hatte.
»Hier ist nicht genügend Platz für
uns beide.
Steigt Ihr nach oben«, sagte er. »Ich warte
hier.«
Jonathan wollte Einwände erheben, doch Alfred
deutete auf die obere Kante des Pfeilers, die einen kleinen, ebenen
Überhang
bildete. Man brauchte Kraft, um sich dort hinaufzuarbeiten.
Jonathan begriff sofort und begann mit dem
Aufstieg. Alfred schaute ihm einen Moment lang besorgt zu, und als er
sich
wieder umdrehte, war er überrascht, den toten Prinzen neben
sich stehen zu
sehen. Wie es dem Leichnam gelungen war, die Kluft zu
überwinden, vermochte er
sich nicht zu erklären. Er konnte nur vermuten, daß
der Schemen dem Körper
geholfen hatte.
Die schimmernde weiße Gestalt war der Schatten
des Wiedergängers, kaum zu unterscheiden von den Schwaden der
Dämpfe über der
Feuersee. Das Schattenbild wirkte so unabhängig. Warum
ließ es seine nutzlos
gewordene Hülle nicht zurück, statt sich damit zu
belasten?
»Weg da, Sartan!« rief Haplo.
»Mach Platz!«
»Ich will dir helfen!«
»Ich verzichte auf deine Hilfe!«
Alfred gab vor, im Brodeln der Lava nichts
gehört zu haben, und wartete, den Rücken an den Stein
gelehnt.
Haplo schäumte vor Wut, aber es war nicht die
Zeit und nicht der Ort zu streiten. Er überzeugte sich,
daß das Schwert in
seinem Gürtel nicht verlorengehen konnte, dann ging er in die
Hocke, stieß sich
ab, schnellte durch die Luft und landete wie eine Fliege am Fenster an
einer
glatten Bruchstelle unterhalb von Alfred. Der Schwung preßte
ihn an den Stein,
doch er fand keinen Halt. Der Hund, der an der Kante des Sockels
zurückgeblieben war, bellte aufgeregt.
Alfred bückte sich, bekam das tätowierte
Handgelenk des Patryns zu fassen und zog. Ein stechender Schmerz
durchzuckte
seinen Rücken, Muskeln versagten den Dienst,
Füße schlitterten der Kante des
Vorsprungs entgegen, auf dem er stand. Er mußte loslassen,
sonst waren sie
beide verloren.
Zu seinem eigenen maßlosen Erstaunen weigerte
sich Alfred aufzugeben. Mit einer letzten, verbissenen Kraftanstrengung
warf er
sich zurück. Steingrus spritzte auf, als die
Füße ihm unter dem Leib
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