Feuersteins Drittes
einfach nicht unbefangen genug, diese ehrsame sportliche Diensdeistung in Anspruch zu nehmen — saß an Einzeltischen und amüsierte sich köstlich. Grund für den Spaß: John, der vierte Host, war zu spät gekommen, und das Tanztrio spielte bereits, als er in den Saal schlich. Da ich immer gewillt bin zu lernen, wenn wo gelacht wird, habe ich die Unterhaltung protokolliert.
MARTIN: »John hat verschlafen.« (Lacher der Damen)
JOHN: »Ich war müde.« (Lacher)
HORST: »Hast du wenigstens schön geträumt?« (Großer Lacher)
JOHN: »Ja. Von dir!« (Brüller)
Ich war richtig neidisch, weil ich weiß, was für harte Arbeit es ist, ein paar Leute zum Lachen zu bringen oder gar einen ganzen Saal. Und diese Kerle haben mehr Erfolg als Karl Dali und Mike Krüger zusammen. Obwohl sie lange nicht so gut aussehen.
Im Bordkino gab es gestern Topsy-Turvy, einen Spielfilm über Gilbert & Sullivan, die beiden Meister der englischen Operette aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die in der Übersetzung leider jeden Charme verliert und bei uns trotz vieler Versuche nie angekommen ist. Ich selbst mag dieses kitschige Zeug ganz und gar nicht, wollte aber immer schon mehr über die beiden wissen und verschwieg deshalb meiner Frau, dass der Film mit zwei Stunden 40 Minuten eine wahrscheinlich nicht zu ertragende Länge hatte. Wie üblich, fragte sie schon nach kaum einer Stunde: »Dauert’s noch lang?«, und wiederholte danach die Frage im Zehn-Minuten-Abstand, beruhigte sich aber allmählich, da sie in der DDR geboren wurde und deshalb die Kunst beherrscht, bei öden, aber unvermeidlichen Vorträgen abzuschalten und trotzdem an den richtigen Stelle zu klatschen. Als ich merkte, dass sie mitzuklatschen begann, wenn im Film jemand applaudierte, wusste ich, dass sie sich in Trance befand. Ich rüttelte sie in die Wirklichkeit zurück, und wir gingen knapp nach der Hälfte. Wir waren ohnehin so ziemlich die Letzten, die meisten waren schon vor uns abgehauen. Einfach ein schlechter, langweiliger Film.
Später, im Bett, hielt ich ihr einen Vortrag über den Unterschied der Wiener und der englischen Operette am Beispiel von Fledermaus und den Piraten von Penzance, doch wurde schnell ein Selbstgespräch daraus, da sie schon bei der Ouvertüre einschlief. Aber selbst im Schlaf klatschte sie an den richtigen Stellen.
LOGBUCH 17. JULI
Hellesylt und Geirangerford
11°, heiter, Barometer 1012
Sonnenaufgang 4:20, Sonnenuntergang 22:55
Allein der heutige Tag hatte die Kreuzfahrt gelohnt. Er wog jede Qualstunde der Seekrankheit auf, die Schaukelkabine an der falschen Stelle des Schiffes, die überteuerten Touren, meine dumm angesetzten Lesetermine und sogar die Dinnermusik der polnischen Band.
Ich protokolliere heute ausnahmsweise am Abend, munter und aufgekratzt trotz einer neunstüntligen Landtour, für die ich sogar mein Mittagsschläfchen geopfert habe. Schon am frühen Morgen, kurz hinter der Inselstadt Alesund, sind wir in den Storfjorden eingedreht, den Großen Fjord, dann weiter in den Sunnylusfjord, und um acht fiel der Anker vor Hellesylt. Wer sich wie wir für die Ganztagstour (125 Dollar pro Person) entschieden hatte, wurde per Beiboot an Land gebracht, dann fuhr das Schiff ohne uns weiter, um uns am späten Nachmittag im Geirangerfjord wieder aufzunehmen.
Ich bin ein Kind des Wasserfalls. Von meinem Geburtsort Zell am See sind es nur wenige Kilometer nach Krimml, wo das Salzachtal endet und die größte Kaskade Mitteleuropas in drei mächtigen Stufen herunterstürzt. Unzählige Male stand ich staunend darunter, erst vor kurzem bin ich wieder die ganzen 500 Meter bis nach oben geklettert. Hier, in den norwegischen Fjorden, gibt es noch viel höhere, wildere. Über kahle Felsen stürzen sie so tief, dass sie unten oft nur als Sprühnebel ankommen. Die schönsten haben wir vorhin bei der Ausfahrt gesehen, die berühmten »Sieben Schwestern«, mit dem »Friaren«, ihrem Verehrer, schräg gegenüber auf der anderen Seite des Fjords. Und der erste Wasserfall, den wir bei Hellesylt bewundert hatten, hat sogar Literaturgeschichte gemacht: Hier ließ sich Henrik Ibsen zu seinem wuchtigen Versdrama vom Pfarrer Brand inspirieren, seinem ersten großen Theatererfolg. Gleich daneben das nächste Naturwunder: Hornindalsvatn, ein durch eine Felsbarriere vom Meer abgetrennter Fjord, der zum See geworden ist, mit 500 Metern der tiefste Europas.
Diesmal haben wir eine gesprächige Reiseleiterin im Bus. Norwegen hat vier
Weitere Kostenlose Bücher