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Feuersteins Drittes

Feuersteins Drittes

Titel: Feuersteins Drittes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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es wäre das hypnotische Schlangenauge gewesen, das angeblich das Kaninchen zwingt, direkt in den aufgesperrten Rachen zu marschieren. Aber es war Wolpers, der vor mir stand, keine Kobra, kein Dämon, sondern Godehard Wolpers aus Hannover, mein Produzent und Regisseur. Warum lachte ich ihm nicht in die Fresse und sagte: »Geh doch selber, du Wichser!«
    Stattdessen wurde ich wieder mal zur Seniorenausgabe von Jackass, dem Idiotenstunt von MTV: Ich stieg tatsächlich hinunter in die Schlangengrube. Freiwillig, in Sandalen und kurzen Hosen.
    Schon in den letzten Büchern hatte ich mehrmals die Frage gestellt, warum ich das mache. Bestimmt nicht, um die Welt zu beeindrucken — dazu habe ich Bankauszüge und Jaguar. Und noch weniger aus Gleichmut und Tapferkeit, denn ich bin ein bekennender Feigling. Wahrscheinlich ist es die Illusion des Kamera-Rotlichts, das vorgaukelt, man wäre gar nicht echt, sondern eine körperlose Magnetspur, längst auf Band und im Kasten. »Ist ja nur Fernsehen«, sagt man sich und erfährt eine merkwürdige Art von Realitätsverlust: Man wird zur virtuellen Person, wenn die Kamera läuft, und fühlt sich damit immun gegen jegliche Gefahr.
    Dabei war die Szene, die wir drehten, völlig sinnlos und kommt deshalb im Film gar nicht vor. Denn ich stehe da wie eine Salzsäule und rede von tödlichen Bestien, aber die liegen nur reglos rum und sehen aus wie dunkle, getrocknete Kuhfladen. Gut, Wolpers mühte sich redlich: Er schnitt Grimassen und tanzte am Grubenrand rum, in der Hoffnung, die Schlangen zum Angriff zu reizen. Aber sie züngelten nicht einmal. Als ich zu schäumen begann, flackerte in ihm zwar kurz Hoffnung auf, ich wäre gebissen worden — aber sie war vergeblich, denn ich schäume immer ., wenn ich länger mit Wolpers zu tun habe. Das Antiserum, das man schon vorsorglich angeschleppt hatte, kam ungebraucht zurück in den Erste-Hilfe-Kasten.
    Vergebliche Mühe, verschwendete Zeit. Nicht einmal beweisen kann ich diese Szene, weil Wolpers, der sonst von jeder Lächerlichkeit tausend Standfotos schoss, kein einziges Bild gemacht hatte. Natürlich nicht: Er war ja viel zu beschäftigt damit, Schlangen gegen mich aufzuhetzen, wie hätte er da fotografieren sollen.
    Zum Abschied, damit unser Ausflug nicht ganz umsonst sein sollte, ließ er mich in fünf Meter Würgeschlange einwickeln, was zwar dramatisch aussieht, aber eher harmlos ist, vorausgesetzt, es stehen ein paar kräftige Männer bereit, um das Tier nach Gebrauch wieder abzuwickeln. Wenn Sie aber allein im Regenwald sind, sollten Sie das lieber unterlassen, denn die Python beherrscht einen fiesen Trick: Sie windet sich zärtlich um Taille und Rippen und atmet gewissermaßen mit Ihnen mit; jedes Mal, wenn Sie einatmen, zieht sich die Schlange ein wenig zusammen, bis Sie nicht mehr ausatmen können, und wenn Sie schließlich verzweifelt nach Luft japsen und Ihr Bauch dadurch ganz dünn wird, passt sie sich sofort mit ihrer Umklammerung an... und das war dann gewöhnlich das letzte Mal, dass Sie von einem lebendigen Wesen umarmt worden sind.
    Wir packten unseren Kram zusammen, und Wolpers lud mich zum Essen ein. Zum Lohn für meine Tapferkeit, dachte ich. Aber er führte mich ins Schlangen-Restaurant gleich nebenan.
    Der Besitzer, ein wilder, komischer Kauz meines Alters, der laut Hinweisschild am Straßenrand Schlangenfänger, Schlangendoktor und Schlangenkoch in Personalunion war, empfing uns halb nackt, mit Zigarette im Mundwinkel und einer Zwei-Meter-Kobra in der Hand. Er hielt sie mit ausgestrecktem Arm am Ende ihres vorderen Drittels, sodass sie nach unten hing und eine U-Form bildete, den Kopf leicht nach oben gebogen. Würde er sie in der Mitte halten, hätte sie genug Kraft, um hochzuschnellen und ihm in die Nase zu beißen. So aber schaffte sie nur eine kleine Aufwärtsbiegung des Kopfes.
    »Einpacken oder zum Hier-Essen?«, übersetzte Dieter seine Frage an mich.
    In den früheren Büchern habe ich bereits gestanden: Ich bin Fleischesser, aber zugleich Gegner des Schlachtens, ein Widerspruch, der keine Auflösung kennt und mich als Heuchler entlarvt. Zum Vegetarier werde ich aber unweigerlich, wenn ich das Opfer meiner Fleischeslust kennen gelernt habe, als es noch am Leben war. Niemals könnte ich die Schlachtung veranlassen, und wenn sie jemand anders besorgt hätte, würde ich keinen Bissen hinunterkriegen. Auf keinen Fall also würde ich hier an einem Kobra-Lunch teilnehmen, das war absolut klar.
    Gerade wollte ich mit

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