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Feuersteins Drittes

Feuersteins Drittes

Titel: Feuersteins Drittes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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Chiang Mai, Ko Samui und den Horrorstrand von Pattaya, dazu noch Hat Yai, die wilde Grenzstadt im Süden für die Spaßsucher aus dem spröden Singapur und dem muslimischen Malaysia. Der weitaus größere — und um einiges schlimmere — Teil ist übers ganze Land verteilt, bleibt aber für uns Touristen unsichtbar. Er ist fast ausschließlich den einheimischen Männern Vorbehalten und ist Teil einer Gesellschaftsordnung, die sich in unseren Augen als ziemlich heuchlerisch darstellt. Ich betone: in unseren Augen. Denn die Moral ist ein wackliger Steg, der über tausend Vorurteile und Missverständnisse führt, da kommt man nur zu leicht ins Rutschen. Vergessen wir nicht, wie unmoralisch unser eigener Alltag vielen anderen Kulturen erscheint.
    Trotzdem erkläre ich hiermit, auch auf die Gefahr eines ewigen Einreiseverbots: Thailändische Männer einschließlich meiner drei Freunde und aller anderen Kerle, die ich hier kennen gelernt habe, sind ausnahmslos Machos. Genauso wie wir. Mit dem einzigen Unterschied, dass die das dort DÜRFEN.
    Ich kenne keinen einzigen verheirateten Thai, der nicht mindestens eine Freundin hat und seine Geschäftserfolge nicht in einer »Dunkelbar« feiert, wo man keine Gesichter erkennt, aber umso mehr Körperteile erfühlt. Und selbst in den Kleinstädten findet man wenigstens eines dieser nur Einheimischen zugänglichen Hotels mit Ziffern statt Namen, wo in der Parkgarage vor jedes Auto ein Vorhang geschoben wird, zur Tarnung der Nummernschilder. Während wir westlichen Pantoffelhelden lebenslang — und meist vergebens — gegen unsere schmutzigen Wünsche kämpfen und uns beim geringsten Verstoß in furchtbaren Schuldgefühlen wälzen, leben sich die Kerle dort ungeniert aus und behaupten, es war nichts. Denn schandbar ist nicht, was man tut, sondern nur, was die anderen mitkriegen, das man getan hat.
    Das ist ein fester Bestandteil von Kultur und Sozialordnung, und deshalb eigentlich gar keine Heuchelei, sondern die asiatische Form der Höflichkeit: sein Gesicht zu wahren und andere nicht mit seinen Problemen zu belästigen. Die Operette hat das »Land des Lächelns« fälschlicherweise in Japan angesiedelt, in Wirklichkeit ist es Thailand: Niemand darf sehen, wie es innen aussieht, und auch bei Katastrophen hat man zu lächeln, solange jemand zuschaut. Deshalb mein Rat: Wenn ein Thailänder in einer Krise NICHT lächelt, sollte man sich schleunigst zurückziehen, denn dann gibt’s meistens Tote.
    Das klingt jetzt fast wie die Rechtfertigung für hemmungslosen Machismus und drängt die Frage auf: Was ist mit den Frauen? Ist das für die ebenfalls alles so lustig?
    Natürlich nicht, und schon gar nicht für jene Mädchen, die die nach geregelter Arbeitszeit und Sozialversicherung klingende Berufsbezeichnung Sex Worker führen. Sie sind tief eingebettet im Heuchelsystem. Ihren meist bitterarmen Eltern daheim im Dorf, für deren Unterhalt sie sorgen, erzählen sie Märchengeschichten von angeblichen Traumjobs im Kaufhaus, und fast immer wissen die Eltern die Wahrheit und nehmen trotzdem das Geld. Der Druck der Armut, verbunden mit korrupten Behörden, bricht hier so gut wie jedes Tabu, und es gibt die grauenhaftesten Auswüchse bis hin zur Sklaverei.
    Andererseits sind thailändische Frauen, wenn sie die Chance dazu haben, stark und selbstbestimmt. Sie sind, vor allem in finanziellen Belangen, das wahre Familienoberhaupt und bereiten so manchem Farang die Überraschung seines Lebens, wenn aus dem scheuen Rehlein, das er so edelmütig aus der Sexbar befreit hat, nach der Heirat in kürzester Zeit ein Hausdrachen wird — was ich übrigens in meiner postkatholischen Ethik als durchaus gerecht empfinde: Nach der Sünde kommt eben die Buße, so steht’s geschrieben, selbst schuld.
    Im Geschäftsleben sind sie inzwischen überall, die starken Frauen von Thailand, in der Politik eher selten. Da bleiben sie lieber im Hintergrund und steuern ihre Männer fern... was denen aber nicht allzu viel auszumachen scheint, weil sie dadurch umso mehr Zeit für Freundinnen und Nummernhotel haben. Aber auch hier ändern sich Zeiten und Spielregeln: Immer mehr hört man von reiferen Thailänderinnen, die den Spieß umdrehen und sich jüngere Männer als Liebhaber nehmen, manchmal sogar in direkter Konkurrenz zu den Touristen: In so mancher Schwulenbar, in der Go-go-Boys tanzen, werden Sie, wenn Sie einen Blick in die hinteren, dunklen Ecken riskieren, ganz bestimmt ein paar einheimische Frauen entdecken,

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