Feuersteins Drittes
Wolpers einen Streit darüber beginnen, als die Kobra einen Fehler machte: Sie schnappte nach mir. Ich kann es beweisen, denn Stefan war mit der Kamera dabei, und die Szene ist im Film deutlich zu sehen: Die Kobra faucht und stößt zu, ich weiche erschrocken zur Seite, nur wenige Zentimeter trennen uns. Die Bestie wollte tatsächlich ihren Giftzahn in mich bohren, sie sabberte schon mit mindestens fünfzehn Milligramm Neurotoxin. SIE WOLLTE MICH TÖTEN.
»Hier-Essen!«, sagte ich mit fester Stimme, denn meine zehn Jahre in Amerika waren nicht spurlos an mir vorübergegangen: Töte deinen Feind, bevor er dich tötet, hatte ich dort gelernt. Jetzt musste ich ein Exempel statuieren, allein schon als Warnung für Wolpers.
Während der Schlachtung drehte ich mich zwar weg, aber als mein Feind in den Fleischwolf kam, war ich wieder dabei. Persönlich verrührte ich das Schlangenmett mit rotem Chili-Pfeffer und einigen mir unbekannten Kräutern, und dann warfen wir das Ganze in eine gusseiserne, bereits rot glühende Pfanne.
Das Schlangenragout war höllisch scharf. Schärfer als alles, was ich bisher in Thailand gekostet hatte, und fast so scharf wie die Linsen in den indischen Dorfkneipen, die nicht nur alle Schleusen in Nase und Augen öffnen, sondern sogar das Ohrenschmalz zum Kochen bringen.
Die Schärfe hat nicht nur kulinarische Gründe: Wenn er zu den Freundinnen ginge, sagte er (und beachten Sie bitte den polygamen Plural!), würde er vorher immer eine Portion Rührschlange essen. Denn dieses Gericht ist reine Männerspeise und gilt als das beste Potenzmittel des Landes.
Ich schob sofort zwei Löffel Kobra nach, worauf mein Schlangenwirt eine Flasche über den Tisch schob. Sie sah aus wie die Vitrine in einem Kriminalmuseum, in der man Leichenteile in Spiritus aufbewahrt, und so war es denn auch: einheimischer Mekong-Whisky, gemischt mit Schlangenblut, darin frei schwimmend der ausgelöste Giftapparat einer Kobra. Das wäre das eigentliche Wundermittel, sagte er. Ein paar Schlucke davon zusammen mit dem Schlangenfraß, und die Mädels würden einen überhaupt nie mehr loslassen. Als Beweis zeigte er mir mehrere Kratzspuren auf seinem Rücken. Dann schenkte er mir eine Tasse voll ein.
Im Film lehne ich das Gesöff höflich ab. »Ich bleibe lieber impotent«, sage ich und lächle geistreich in die Kamera. Aber sobald Stefan sie ausgeschaltet hatte, war ich doch neugierig und nahm einen kräftigen Schluck davon.
Und damit sind wir beim Thema »Sextourismus«.
Beichte (könnte aber auch eine Lüge sein)
»Dorf der wilden Pflaumen« lautete der historische Name Bangkoks, und aus dem Dorf, in dem es statt Straßen nur Kanäle gab, ist eine Monsterstadt geworden, mit sechs bis zehn Millionen Einwohnern, so genau weiß das hier keiner. Glaubt man den Kegelbrüdern, die gerade vom Vereinsausflug aus Thailand zurückgekehrt sind, haben sich die wilden Pflaumen nicht nur vermehrt, sondern sind allgegenwärtig und locken nicht nur Fruchtfliegen an. Glaubt man hingegen den Moralisten, dann ist jeder Mann, der dort hinfährt, ein Sittenstrolch, und gehört ins Gefängnis. Beides ist Unsinn, doch wollen wir uns dem Thema wissenschaftlich nähern. Wir nehmen deshalb jetzt die Hefte raus und rechnen mit: Thailand ist eineinhalb Mal so groß wie Deutschland und hat 60 Millionen Einwohner. Dazu kommen jährlich 10 Millionen Besucher, was zunächst den Anschein eines heillosen Gedränges hat; da diese aber im Durchschnitt nur acht Tage bleiben, erhöht das die Bevölkerungszahl, übers Jahr verteilt, gerade mal um 220 000. Die große Mehrheit davon, über 60 Prozent, stammt aus den Ländern Asiens. Erst an fünfter Stelle steht als erstes »westliches« Land England, und die Deutschen kommen mit 400 000 Besuchern pro Jahr auf den zehnten Platz, gleich nach den Amerikanern. Laut Statistik befinden sich also zum jetzigen Zeitpunkt 16 genau 8767 Deutsche in Thailand. Selbst wenn das alles Sextouristen wären, würden sie also kaum auffallen. Dass sie es trotzdem tun, liegt hauptsächlich daran, dass sie sich schlecht benehmen, peinlich anziehen und mit ihren Bäuchen mindestens doppelt so viel Platz einnehmen, wie einem Thai statistisch zukommt. Außerdem treten sie meist in Rudeln auf.
Die offene Sexszene der Touristen ist kleiner, als man bei der ersten Begegnung mit Thailand, gefüttert mit Vorurteilen, erwartet. Sie beschränkt sich im Wesentlichen auf drei Gegenden in Bangkok sowie ein paar Straßenzüge in Phuket,
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