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Feuersteins Drittes

Feuersteins Drittes

Titel: Feuersteins Drittes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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Kulissen: Auf engstem Raum, nicht unähnlich der Käfighaltung unglücklicher Hühner, verwandelten sich zwei Dutzend süßer Jungs in noch süßere Mädchen. Nur die drei Stars hatten ihren eigenen Spiegel, die anderen steckten die Köpfe zusammen und halfen sich gegenseitig — eine Art Vorschau auf das deutsche Bühnenleben, wenn es mit den Kürzungen so weitergeht.
    Ich unterhielt mich mit Noi, der Diva, um die zwanzig Jahre alt und makellos schön, und dachte über die grimmigen Geschichten nach, die man über Bangkoks Transvestiten auf freier Wildbahn so hört... Ob diese höflichen, niedlichen, harmlosen Geschöpfe, die rings um mich fröhlich schnatterten, auch nach Ende der Show noch so höflich, niedlich und harmlos sein würden?
    Im Spiegel sah ich, wie Wolpers mit schmierigem Grinsen Noi zuzwinkerte, das verabredete Zeichen, dass er mich vor laufender Kamera »ganz zufällig« fragen sollte, ob ich nicht mitspielen wolle: Es gäbe eine urkomische Szene in der Revue, da würde ich perfekt reinpassen. Ich müsste kein Wort sagen, nur ein bisschen rumtanzen.
    Natürlich sagte ich zu, denn mir war klar, dass ich mich in die Show einbringen musste, sonst hätten wir keine Geschichte. Berührungsängste hatte ich ohnehin keine, denn wer in die Grube zu den Schlangen steigt und eine davon anschließend auch noch frisst, kann schwerlich einen Fummel verweigern. Außerdem hatte ich in Zeiten von Schmidteinander schon mal Claudia Schiffer gespielt; da wird’s wohl noch für eine alte Transe reichen.
    Und so hopste ich im kurzen Schwarzen vor ein paar Reisegruppen aus Taiwan und Singapur über die Bühne des Mambo. Applaus gab’s so gut wie keinen, und falls Sie meinen Thailand-Film nicht gesehen haben: Bittesehr, in diesem Buch gibt’s ein Beweisfoto. Mehr sage ich nicht dazu, denken Sie, was Sie wollen. 18
    Wolpers hat übrigens nicht um meine Hand angehalten. Wahrscheinlich hat er gespürt, dass er einen Korb kriegen würde.

Besuch beim König

    Sie werden es nicht glauben, aber ich kenne Bhumipol 19 , den thailändischen König, persönlich.
    Es war gegen Ende der fünfziger Jahre in Wien, und er wird sich bestimmt nicht mehr daran erinnern. Aber für mich war es ein unvergessliches Erlebnis, denn er war nicht nur der erste Monarch, der mir kurz, aber tief in die Augen schaute, sondern auch der bisher einzige, jetzt mal von der deutschen Weinkönigin in Neustadt abgesehen, bei deren Krönung ich zweimal mitgeholfen hatte. Nein, die Hand hat er mir nicht geschüttelt, das machen Könige sowieso nur selten, und die von Thailand schon gar nicht. Aber ich habe mich tief vor ihm verbeugt. Denn damals war ich noch Österreicher und hatte als solcher gelernt, bei der Begrüßung wichtiger Leuten nicht nur ein bisschen mit dem Kopf zu wackeln, wie man das heute tut, damit es nicht allzu devot aussieht, sondern richtig den Rumpf zu krümmen und »ein Buckerl« zu machen, mit dem Bauchnabel als Schnittpunkt des rechten Winkels. Ich weiß noch genau: Ich verbeugte mich vor dem König mit geradezu japanischer Bodennähe. Es war die tiefste Verbeugung meines Lebens.
    Geredet hat er auch nicht mit mir. Aber dafür habe ich ihm zugehört. Denn die Begegnung fand in einem Jazzkeller statt, in Fatty’s Saloon am Petersplatz, zwischen Stefansdom und Pestsäule, gleich um die Ecke jener pompösen Einkaufsstraße, die völlig eben verläuft und trotzdem »Graben« heißt: Bhumipol Adulyadeh, König Rama IX. von Thailand, spielte dort nämlich Saxofon.
    Der Laden gehörte Fatty George, dem damaligen »Jazz-Papst« von Österreich, der mich in seinen Freundeskreis aufnahm, nachdem ich als knapp Zwanzigjähriger in Salzburg ein Konzert für ihn organisiert hatte — schon damals in rastloser, die Mitmenschen nervender Umtriebigkeit. Ein paar Wochen lang hing ich fast jeden Tag bei Fatty herum, kümmerte mich ein bisschen um Presse und Werbung, lernte viel über Jazzmusik und starrte gierig, aber ergebnislos in die verlockenden Tiefen der Dekolletees seiner Barmädchen. Dann aber erschien meine erste Kurzgeschichte in einer richtigen Zeitschrift, und ich wechselte auf die andere Seite des Grabens, ins legendäre Café Hawelka, zu den weniger hübschen, aber weitaus zugänglicheren Literatinnen.
    König Bhumipol war damals auf Staatsbesuch in Österreich. Mit seiner Brille und den weit abstehenden Ohren wirkte er eher wie ein schüchterner, ein bisschen verklemmter Student, obwohl er schon fast dreißig war und seit zwölf Jahren

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