Feuersteins Drittes
König sogar einmal jämmerlich ertrunken, als er in den Fluss fiel, aber niemand wagte, ihn herauszuziehen, weil man ihn dabei ja hätte anfassen müssen. Auch heute noch gibt es genügend Geschichten von Touristen, die ihren Urlaub im Knast beenden mussten, weil sie einen Geldschein mit dem Bildnis des Königs zerrissen hatten. Oder von jenem, der den Urlaub gar nicht erst antreten durfte, weil er in der First Class der Thai Airways darauf bestanden hatte, seine Leselampe eingeschaltet zu lassen, obwohl sich eine königliche Prinzessin ein paar Reihen vor ihm davon gestört fühlte. Bei der Ankunft in Bangkok wurde er sofort verhaftet.
Khun Sompong hatte mir noch eine zweite von ihm bekritzelte Visitenkarte mitgegeben. »Für den Notfall«, sagte er. Da ich diesen jetzt für eingetreten hielt, drängte ich mich wieder hinaus und gab dem Türsteher das Kärtchen. Zusammen mit 500 Baht, wie mir Sompong aufgetragen hatte, einer Summe, die damals dem Gegenwert einer Übernachtung in einem anständigen Hotel entsprach. (Und zwei Übernachtungen in einem unanständigen.)
Ein alter, freundlicher Mann mit chinesischem Glücksbärtchen unter dem Kinn nahm mich am Arm und schob mich durch die nachdrängende Menge zurück auf die Straße und dann ein paar Häuser weiter zu einem Bootsschuppen aus Holz, der schon halb verfallen war, seit Jahren offenbar unbenutzt. Da führte er mich hinein und deutete nach oben. Tatsächlich liefen dort drei dicke Vierkantbohlen quer durch den Raum, die einst wohl einen Bretterboden getragen hatten, wahrscheinlich als Geräteablage. Sie endeten an der Uferfront, an der hölzernen Verschalung, in die der Zahn der Zeit jede Menge Spalten und Lücken gefressen hatte. Auf zwei dieser Bohlen hockten bereits Farangs wie ich, beide mit Fernglas, die dritte Bohle war noch frei.
Mein Führer deutete auf eine Leiter, lächelte und verschwand. Von Fluss her hörte man schon die Mönche, die im tiefen Bass die heiligen Silben im Takt des Ruderns sangen. Ich brauchte ein paar Minuten, um mich an das Halbdunkel zu gewöhnen. Dann kletterte ich die Leiter hoch und rutschte rittlings auf meinem zugewiesenen Holzbalken nach vorn. Und sah von dort aus tatsächlich alles. Den Fluss, die Mönche, die Barken, den König. Und Buddha. Die große Kithin -Parade in all ihrer fast unwirklichen Pracht.
So kam es, dass ich über dem König von Thailand thronte. Eine ganze halbe Stunde lang, und ungestraft noch dazu.
Natürlich wollte ich, dass auch meine Frau von meiner inzwischen so innigen Bekanntschaft mit dem Königshaus profitierte, weshalb ich ihr zehn Jahre später, auf unserer ersten gemeinsamen Thailand-Reise, einen Palastbesuch vorschlug. Zu meiner Schande ging dies aber schief, weil ich im Eifer der Fremdenführung vergessen hatte, dass es dort eine strenge Kleiderordnung gibt: Weil sie, den 35 Grad Außentemperatur angemessen, eine ärmellose Bluse trug, durften wir nicht rein. Denn während in vielen Tempeln Shorts und Nabelschau der Touristen fast schon Alltag sind, achtet man im Königspalast streng auf Sittsamkeit. Bloße Arme, nackte Beine und wogender Busen sind hier tabu. Zwar gibt es für ahnungslose Touris am Eingang einen Ärmel-, Wickelschal- und Rockverlängerungsverleih, aber weil meine Frau damit auszusehen glaubte wie Mutter Teresa, weigerte sie sich gegen die Zwangskostümierung, und wir schauten stattdessen nebenan im Sanam-Luang-Park den Drachenkämpfen zu. Auch schön.
Auf unserer nächsten Reise waren wir schlauer und bestens gerüstet: Hosenanzug, langärmlig bis zum Handrücken.
Dass außer uns noch eine Million anderer Touristen vor dem Palasttor drängelte, ist nun mal der Preis jeder Sehenswürdigkeit. Und dass das Tor eine Stunde versperrt blieb, weil der Präsident von Namibia gerade einen VIP-Besuch machte, ist der Preis der Weltpolitik. Brav standen wir Schlange für die Eintrittskarten und dann nochmals für den akustischen Palastführer, dessen Ohrwurm einem diskret zuflüstert, was das ist, wovor man gerade steht, vorausgesetzt, man drückt den richtigen Knopf für die richtige Sprache. Aber auch auf Chinesisch klingt es hochinteressant.
Dann standen wir vor dem Tor, wo man uns beim letzten Besuch abgewiesen hatte. Da uns der Klamotteninspektor gar nicht erst ansah, sondern zu Boden starrte, waren wir unserer Sache absolut sicher: Diesmal würden wir es schaffen.
Es traf uns wie ein Keulenschlag, als er die Hand ausstreckte und »mai« sagte, mit Tonfall nach unten,
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