Feuersteins Drittes
maßgeschneidertes Staubtuch. Wer hinterher jammert, kriegt zu hören, man habe diesen Stoff ja selbst ausgesucht — und das stimmt auch. Aus einem Musterbuch mit winzigen Stofffetzen, die groß genug sein mögen, um in einem Indizienprozess den Mörder zu überführen, wenn man die Fäden unter dem Fingernagel des Opfers findet, aber bei weitem nicht ausreichen, sich darunter einen Anzug vorzustellen, und sei es nur für Ken, Barbies Busenfreund.
Da ich unbelehrbar bin, habe ich inzwischen einen Schrank voll maßgeschneiderter Anzüge aus Thailand 21 , die ich niemals trage. Dazu einen schwarzen und einen weißen Frack für die Bühne, wo der Abstand zum Publikum groß genug ist, um die offenbar aus Handtüchern gearbeitete Weste und die verschieden breiten Schöße erst beim Verbeugen zu erkennen, sowie einen Smoking fürs Kreuzfahrtschiff, bei dem es einem nicht Leid tun muss, wenn man ihn ankotzt. Außerdem noch, als Gipfel der Peinlichkeit, ein halbes Dutzend bunter Jacken, die sich nicht mal Thomas Gottschalk hätte aufschwatzen lassen, obwohl der ja nun wirklich den grauenhaftesten Klamottengeschmack der Welt hat. Und da ich höflich bin, hängt bei jedem dritten Schneider Bangkoks meine Autogrammkarte samt Huldigung (»Mit bestem Dank!«) im Schaufenster, weil die armen Kerle glauben, mit meinem Bild deutsche Kunden ködern zu können, und nicht ahnen, wie abschreckend ich auf manche Leute wirke.
Wolpers fand, dass das Thema »Dreiteiler in 24 Stunden für 99 Dollar« gut in den Film passen würde, und gab deshalb in einem winzigen Salon namens »Mr. Marty« ein solches Kunstwerk für mich in Auftrag. Genau 24 Stunden dürfte die Anfertigung dauern, und von der Stoffwahl über die Anprobe bis zur feierlichen Übergabe würden wir alles filmen, um dann in Stummfilmmanier die Entstehung im Schnellvorlauf zu dokumentieren. Bestimmt würde das Ergebnis ein Kostüm für Vogelscheuchen sein, als Warnung vor der fernöstlichen Billigschneiderei, und zugleich Mahnung, doch lieber zum Rudi Moshammer in der Münchner Maximilianstraße zu gehen, wo das Gleiche höchstens hundert Mal mehr kostet.
Wie immer bei Plänen von Wolpers geschah das genaue Gegenteil: Marty fertigte den besten Anzug meines Lebens an, den einzigen, den ich auch heute noch trage, wann immer man mich in so ein Ding zwingt. Der edle Stoff kam aus Japan, schon bei der Anprobe stimmte fast alles, und nach 23 Stunden war das Ding fertig, ohne dass die kleinste Nachkorrektur nötig war. Marty war ein Meister seines Faches... aber statt ihm zu einer eigenen Sendereihe zu verhelfen, wie er es verdient hätte, schmiss Wolpers den ganzen Dreh in den Müll. »War nicht komisch genug«, sagte er mit der Grandezza eines Hollywood-Produzenten — aber wahrscheinlich fraß ihn der Neid, weil ich in dem Anzug so tierisch gut aussah. 22
Meine Autogrammkarte werden Sie bei »Mr. Marty« allerdings vergeblich suchen. Damals, beim Dreh, hatte ich keine dagelassen, und später habe ich diesen Laden nicht mehr gefunden, obwohl ich seither auf jeder Reise verzweifelt danach fahnde. Zu gern hätte ich von ihm noch einen zweiten Anzug. Aber wahrscheinlich ist er am teuren Stoff für meinen ersten Pleite gegangen.
99 Dollar hatte Wolpers für den Anzug gezahlt, das Doppelte musste er anschließend für einen Strohhut hinblättern, den man sonst in jedem Ramschladen für einen einzigen Dollar kriegt. Schuld daran war er natürlich selbst. Weil er immer alles besser weiß als ich.
Das geschah auf Phuket, beim Dreh für die Schlussszene, deren Idee ich Wolpers schon bei unserer Ankunft in Thailand vorgeschlagen hatte: Da es in ganz Südostasien diese aus Schilfstroh geflochtenen Hüte der Bootsleute gibt, die wie Lampenschirme aussehen, wollte ich am Ende des Films in der Abenddämmerung mit einer solchen Kopfbedeckung auf der Terrasse sitzen und nach meinem Abschiedswort ein Buch in die Hand nehmen; dann würde ich an meinem Ohrläppchen ziehen, als wäre es ein Schalter... und klick, der Hut wird zur strahlenden Lampe. Abspann.
Eine schlichte, romantische Szene, die aber in der Ausführung nicht ganz einfach war. Denn dazu brauchten wir nicht nur eine Leuchte auf meinem Kopf, stark genug für ein kräftiges Licht, aber schwach genug, um meine Haare nicht zu entzünden, sondern auch ein typisches Thai-Haus als Kulisse, mit Holzveranda direkt am Meer, eine Menge diskreter Verkabelung sowie die ideale Lichtstimmung für die Kamera, wie sie nach Sonnenuntergang gerade
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