Feuersteins Drittes
Kunst Organe entnehmen); ein WIRKLICH bedrohlicher (auf dem Wackelbrett eines Fensterputzers wurde ich an der stahlglatten Außenfassade eines Wolkenkratzers zwanzig Stockwerke hochgezogen); und ein dermaßen lächerlicher, dass Sie ihn niemals glauben würden, wäre er nicht im Film enthalten und durch ein Bild in diesem Buch dokumentiert (Wolpers, als King Kong verkleidet, wollte mich vom Dach des Empire State Building in die Tiefe schmeißen). Ich will sie alle drei schildern, der Reihe nach.
Von den sieben Millionen New Yorkern sind zehn Millionen wahnsinnig, lautet eine durchaus nachvollziehbare Einschätzung angesichts der Häufung gespaltener und multipler Spinner in dieser Stadt, und ich muss es wissen, denn ich habe hier selbst zehn Jahre gelebt: Ich allein stehe für zwei, und zusammen mit Wolpers wären wir schon fünf. Unsere filmische Kurzschilderung dieser Welthauptstadt der Demenz musste also zwangsläufig eine Riege von Sonderlingen enthalten, um glaubwürdig zu sein.
Unser Rechercheur hatte gute Vorarbeit geleistet und ein typisches New Yorker Kuriositätenkabinett zusammengestellt: einen Öko-Freak, der sich ausschließlich von Pflanzen, Wurzeln und Früchten ernährt, die wild im Central Park wachsen; einen achtzigjährigen Schatzsucher aus Brooklyn, der mit seiner Minensonde aus der Zeit des Vietnamkriegs täglich den Badestrand von Coney Island durchkämmt und dort hauptsächlich Kronkorken und Dosenlaschen findet, hin und wieder aber auch Münzen und Uhren, und alle zehn Jahre einen Brillantring; einen Wurstbrater aus Hoyerswerda, der an der Ecke Fünfte Avenue und 54. Straße seine Würste nach deutschen Automarken benennt und mit seinen Porsches, Audis und Mercedes so erfolgreich ist, dass er es schon zu zwei Restaurants in der Vorstadt gebracht hat; eine Wissenschaftlerin, die auf der anderen Seite des Hudson River ein Kakerlaken-Museum betreibt; und schließlich »Doc Dave«, den Armenarzt und Organpinsler im East Village.
Der Weg vom Öko-Freak zum Armenarzt ist lang, aber lohnend, falls Sie ihn zu Fuß bewältigen wollen, so etwa drei Stunden, schätze ich, mitten durch das Herz von Manhattan. Angefangen am Portal des Central Park an der 57. Straße, wo Sie — falls Sie sich nicht an den wilden Kräutern und Wurzeln im Park satt gefressen haben — noch schnell zur Stärkung in den legendären Palmengarten des Pla^a -Hotels huschen können, zum Nachmittagstee für 50 Dollar das Gedeck, umgeben von Millionärswitwen, die hier ihren täglichen Leichenschmaus zelebrieren.
Dann geht es am Pomp- und Protzturm von Donald Trump vorbei schnurgerade den New Yorker Kudamm hinunter, die Fünfte Avenue, wo Sie an der Ecke der 54. Straße das ersparte Taxigeld wahlweise in eine Mercedes-Wurst mit Sauerkraut investieren können oder ein paar Schritte weiter in einen Besuch des MoMA, wie wir Kulturbürger kennerhaft sagen, des Museum of Modern Art. Sollten Sie zusätzlich noch ein paar Millionen lockerhaben, können Sie die ebenfalls schnell loswerden, denn hier finden Sie nicht nur die Edeldesigner, sondern auch die Diamantenhändler, eine ganze Seitenstraße voll, ein Laden neben dem anderen, mit Panzerglas-Schaufenstern und bewaffneten Gorillas gleich hinter der Tür.
Die Kathedrale des heiligen Patrick, angeblich fast so geräumig wie der Petersdom zu Rom, wirkt angesichts des schräg gegenüberliegenden Rockefeiler Center wie ein Spielzeugkirchlein, und der lächerliche Griechentempel der New Yorker Stadtbibliothek hat an dieser Stelle nur deshalb seine Existenzberechtigung, weil man sich auf seiner Steintreppe so bequem ausruhen kann. Von hier an sollten Sie Ihren Blick immer nach oben rechts halten, sonst passiert es Ihnen, dass Sie in der engen Straßenschlucht das Postkarten-Wahrzeichen New Yorks verpassen, das Empire State Building, wo Wolpers in wenigen Tagen seinen dritten Mordanschlag verüben sollte. Aber wir sind ja noch nicht mal beim ersten.
Nun wird es vorübergehend ein bisschen langweilig. Links und rechts werden die Ladenfronten allmählich dünner und verschwinden dann ganz, und wir laufen an gepflegten Apartment-Anlagen vorbei, allesamt mit Concierge-Logen, die meisten auch mit Türsteher, die nett grüßen, Taxis herbeipfeifen und dafür zu Weihnachten hundert Dollar extra kriegen. In der Höhe der Sechsten Straße ist dann die Fünfte Avenue an einem französischen Triumphbogen, der hilflos und völlig unbegründet mitten in einem Park steht, plötzlich zu Ende: Wir sind
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