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Feuersteins Drittes

Feuersteins Drittes

Titel: Feuersteins Drittes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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Niere, Milz und Lunge: Zum Aufträgen der Farben benutzt er nämlich statt des Pinsels menschliche Organe aus dem Abfall der anatomischen Hörsäle. Und wenn ich jetzt sage, dass manche seiner Bilder wie hingeschissen wirkten, dann ist das keine abfällige Kunstkritik, sondern lediglich der Hinweis, dass er gelegentlich auch mal einen Dickdarm als Farbträger verwendet.
    Zugegeben, seit den »Körperwelten« von Günther (»Dr. Tod«) von Hagens kann uns so was kaum mehr schockieren, wo doch inzwischen schon jede zweite Oma ins Testament schreibt, in welcher Pose sie plastiniert werden möchte. Aber wir waren ja ein gutes Jahr vorher vor Ort, der freizügige Umgang mit Eingeweiden war neu, und mir entging nicht, wie es in den Niederungen der Wolpers’schen Fantasie zu brodeln begann, als mich der Doktor für den Abend auf ein Bier einlud. Da leuchteten seine boshaften Augen, und ich wusste, dass sich in seiner Vorstellung ein wahrer Frankenstein-Film abzuspulen begann: Doc Dave würde heimlich Knock-out-Tropfen ins Bier träufeln und mir dann in seinem Labor mein Wahnsinnshirn entnehmen, um damit Meisterwerke zu malen. Anschließend wäre ich ein Zombie, für den Rest meines Lebens dazu verdammt, Wol-pers als willenloses Werkzeug zu dienen...
    Ich sagte es schon zu Anfang: Es war ein lächerlicher, grotesker Anschlag, der natürlich nur in Wolpers’ Fantasie stattfand. Trotzdem vertauschte ich am Abend zur Vorsicht die Biergläser, als der Doktor kurz durch einen Bekannten abgelenkt war. Aber es passierte nichts, und für den Rest des Abends erzählte er mir nur von seinen Weibergeschichten. Offenbar pinselt Dave auch heftig am lebenden Organ.
    Zum Abschied hatten wir uns gegenseitig »Fahrvergnügen!« gewünscht, und um Wolpers zu beweisen, dass ich den Abend unbeschadet überstanden hatte und auch weiterhin bereit war, die Gesamtheit meiner Hirnmasse gegen ihn zu verwenden, beschimpfte ich ihn am nächsten Morgen schon VOR dem Frühstück und nicht erst, wie sonst, auf dem Weg zum Drehort. Ich wusste natürlich, dass das nur der Auftakt war. Weil er weitaus Schlimmeres plante.

Meine Stadt, mein Auto, mein Haus, mein Buch

    Es war nicht mein erster Hubschrauberflug über New York, aber bei weitem der schönste, und ich habe ihn Wolpers zu verdanken. Es ist offenbar doch nicht alles schlecht an ihm.
    Die früheren Flüge waren Zubringer zum Flughafen Newark, einmal auch nach JFK, und sie starteten alle von dieser wackligen Plattform, die man ganz unten am East River auf einem alten Pier errichtet hatte. Meist hockte ich eingepfercht zwischen Bankern mit Riesentaschen auf dem Schoß, und immer hat es geregnet. Diesmal aber war der Himmel strahlend blau, ich saß vorne rechts in einem Viersitzer mit Glaskuppel, und wir flogen dicht über den Gipfeln der Wolkenkratzer kreuz und quer über Manhattan, mit zwei Ehrenrunden über dem Central Park. Im fertigen Film hat Wolpers das Finale aus Beethovens Neunter darunter gelegt, ohne jeden Off-Text, und ob ich will oder nicht, kriege ich jedes Mal feuchte Augen, wenn ich diese Szene sehe. Denn keine Stadt der Welt liebe und hasse ich so sehr.
    So wie Thailand mein zweites Land ist, ist New York meine zweite Stadt, fast zehn Jahre habe ich dort gelebt, die schwierigsten und mit Sicherheit härtesten meines Lebens, von 1960 bis 1969, eine ganze Ehe lang. Kurz vorher, in meiner Heimatstadt Salzburg, hatte ich ein wunderbares Mädchen kennen gelernt, Pearl-Mieko, eine amerikanische Austauschstudentin am Mozarteum, und als die Zeit ihrer Rückreise gekommen war, stand für mich fest: Ich will mit. Um ehrlich zu sein: nicht allein ihretwegen, sondern vor allem, um mich aus der recht problematischen Beziehung zu meinem Vater zu lösen. Und da Pearl aus Hawaii 35 stammte, hielten wir es für richtig, unser gemeinsames Leben genau in der Mitte zwischen den beiden Elternhäusern zu beginnen. Wir spannten eine Schnur um den Globus und fanden so den geographischen Mittelpunkt zwischen Österreich und Hawaii: New York. 36
    Mir sträuben sich heute noch die Nackenhaare, mit welcher Unbekümmertheit und Naivität ich mich als Dreiundzwanzigjähriger in diese entscheidende Wende meines Lebens begeben hatte: ein Journalistenvisum, erschummelt durch Gefälligkeitsbriefe, die mich als künftigen Korrespondenten verschiedener Zeitungen auswiesen, ein vom Vater bezahltes One-Way- Ticket, Dollar für zwei Monatsmieten, zwei große Koffer und eine »Erika«-Reiseschreibmaschine — und meine

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