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Feuersteins Ersatzbuch

Feuersteins Ersatzbuch

Titel: Feuersteins Ersatzbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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brauchte sie viel Personal um sich — mit dem entsprechenden Verschleiß: Ständig wurde geheuert, gefeuert und gebrüllt. Manchmal kam einer zu mir, um sich zu beklagen, aber an meinem verlegenen Lächeln und den hilflos ausgebreiteten Händen erkannte er schnell die Grenzen meiner Macht. Mary ließ sich am liebsten als »Ma’msab« anreden, ein wirklich arg kolonialistischer Titel aus Indien, die Kurzform von »Madam Sahib«, aber hinter ihrem Rücken nannte man sie »Hexe«. Zu mir sagten die Jüngeren »Onkel« und die Älteren »Mzee«, der Ehrentitel für einen würdigen Greis. Mit der Zeit wurde »Onkel Mzee« daraus. Wie sie mich hinter meinem Rücken nannten, weiß ich nicht. Wahrscheinlich »Pantoffelheld«...
    FEUERSTEIN: Hat dich diese Entwicklung überfordert?
    ICH: Zunächst überhaupt nicht, denn es war ja eine Fernbeziehung. Ich war immer nur kurze Zeit vor Ort, und es war alles viel zu aufregend und faszinierend, zugleich auch so wunderbar sinnlos und verrückt, denn das Ganze steigerte sich ja noch.
    FEUERSTEIN: Wie meinst du das?
    ICH: Ich hatte mich mit Don Amolo angefreundet, einem hoch gebildeten Schlitzohr und genialen Anwalt, der es sogar zu internationalem Ruhm brachte, als er für einen Sohn des Fiat-Bosses Agnelli in einer Drogengeschichte, für die jeder Einheimische lebenslänglich gekriegt hätte, Freispruch erwirkte — natürlich durch Bestechung, wie wir alle wussten. Don wachte über Mary, wenn sie Ärger mit den Behörden hatte, kümmerte sich um meinen Krimskrams und verleitete mich zwischendurch immer wieder zu völlig überflüssigen, aber unwiderstehlichen Schnäppchen. So kaufte ich im Lauf der Zeit — natürlich immer für Mary — zwei größere Grundstücke in der Umgebung dazu, ein kleines mitten in der Stadt sowie eine halb fertige Pension für später mal, als ihre Altersversorgung. Außerdem für mich selber das Nachbargrundstück meines Hauses, so dass ich heute einen ganzen Hektar Afrika besitze.
    FEUERSTEIN: Du liebe Zeit. Was hat denn das alles gekostet?
    ICH (...)
    FEUERSTEIN: Gib nicht so an!
    ICH: Ich schwöre dir, es war mir egal. Es war mein Lehrgeld, der Preis für eine großartige Lebenserfahrung und damit letzten Endes eine Bereicherung für mich. Das einzige, was mich ärgerte, war, dass ich in Deutschland dafür Vermögenssteuer zahlen musste, bis das Verwaltungsgericht 1995 diese Steuerform abgeschafft hat. Wahrscheinlich hatten die Richter von meinem Fall gehört...
    FEUERSTEIN: Und wie endete die Beziehung mit Mary?
    ICH: (…)
    FEUERSTEIN: Na schön, dann überspringen wir jetzt ein Dutzend Jahre und ziehen Bilanz: Wie sieht es heute in Malindi aus?
    ICH: Nicht gut. Mit dem Somalia-Krieg und den Flüchtlingen kamen Waffen ins Land sowie wilde Kerle, die man je nach Bedarf und Grenzlage Soldaten oder Banditen nennt. Das einst so verschlafene, friedliche Tropennest wurde ein Unruheherd voll drohender Gewalt und ethnischer Spannung. Der Tourismus liegt völlig am Boden und damit auch die lokale Wirtschaft, und sogar die italienische Mafia hat hier einen kleinen Ableger, vielleicht weil »Malindi« so sizilianisch klingt. Wir machten zunehmend böse Erfahrungen. Erst nur Diebstähle, dann ein gewaltsamer Einbruch eines Hausangestellten, der am Tag meiner Ankunft mit der gesamten Reisekasse verschwand, und schließlich ein regelrechter Überfall: Sechs mit Knüppeln und Messern Bewaffnete, die alles Brauchbare mitnahmen, den Rest zerschlugen, Mary verprügelten und einen Wächter fast töteten.
    FEUERSTEIN: Und du?
    ICH: Ich hatte das Glück meines Lebens. Da es Buchungsprobleme für den Rückflug nach Deutschland gab, war ich einen Tag früher als geplant nach Nairobi gereist und bin wahrscheinlich nur deshalb heute noch am Leben.
    FEUERSTEIN: Wie ging es mit deinen Freunden weiter, mit deinem Haus?
    ICH: Don Amolo ist tot. Jämmerlich an Aids gestorben. Seine Kanzlei wurde geplündert und massenweise Akten gefälscht. Die beiden großen Grundstücke hat Mary dadurch verloren, alle Abgaben und Steuern vieler Jahre musste ich mangels Unterlagen nochmals zahlen. Von Anna Nduku habe ich auf Umwegen gehört, dass sie mit sechzehn ein Baby bekam und daraufhin die Schule verließ; ich weiß nicht, wo sie heute lebt. Auch Mr Fondo ist verschollen.
    Mein Haus habe ich zum letzten Mal vor drei Jahren gesehen, nur ganz kurz, dann fuhr ich gleich wieder weg: Es verfällt allmählich, das Gästehaus ist schon eingestürzt. Der Pool ist leer, mit Sprüngen im Beton,

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