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Feuersteins Ersatzbuch

Feuersteins Ersatzbuch

Titel: Feuersteins Ersatzbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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Luyia.
    FEUERSTEIN: Wieso bringst du immer die ethnische Abstammung ins Spiel? Ständig redest du von Massais, Kikuyus und Giriamas und dass Anna eine Kamba sei. Teilst du die Afrikaner nach rassistischen Merkmalen ein?
    ICH: Das machen die selber, wobei diese Merkmale nicht rassistisch sind, sondern kulturell: der Unterschied zwischen oft grundverschiedenen Lebensgewohnheiten. Kenia ist ein Vielvölkerstaat aus fast fünfzig Stammesgruppen, wobei die wichtigste Trennlinie zwischen den Bantu und den Niloten verläuft, den sesshaften Bauern und den nomadischen Hirten. Beide beanspruchen von jeher den gleichen Grund und Boden, die einen zum Pflanzen, die anderen als Weideland ihrer Tiere, und beide standen sich deshalb in der Geschichte immer als Feinde gegenüber, wie das Gemetzel zwischen den Tutsi und Hutu von Burundi noch heute beweist. Auch die Gewalttätigkeiten im kenianischen Hochland und an der Küste, die in den letzten Jahren die letzten europäischen Touristen vergraulten, spielten sich genau entlang dieser ethnischen Linie ab.
    FEUERSTEIN: Was hat das mit Mary zu tun?
    ICH: Sie ist eine Luyia aus dem Westen des Landes, einem Bantu-Stamm, dem man Fleiß, Bildung und Friedfertigkeit nachsagt. Die ersten beiden Eigenschaften hatte sie absolut, aber von der letzteren konnte bei ihr keine Rede sein.
    FEUERSTEIN: War Mary streitsüchtig?
    ICH: Mein weiser alter Freund Alex Randolph hat sie ungovernable genannt, unsteuerbar, unbeeinflussbar. Sie legte sich mit allen an und schadete sich damit meistens selber. Nie befolgte sie einen Rat, nie hielt sie eine Abmachung ein, und nie habe ich auf eine Frau so oft und so lang gewartet, wenn wir verabredet waren — vergebens meist noch dazu. Sie war ein Kraftpaket: faszinierend, wild... aber wie soll man das auf Dauer aushalten? In einem Einkaufszentrum eröffnete sie ein Café-Restaurant und führte es ganz ausgezeichnet. Aber dann prügelte sie sich mit dem pakistanischen Vermieter und schmiss den Krempel hin, ohne Rücksicht auf Verluste. Ähnlich verliefen ihre weiteren Geschäfte: Sie arbeitete wie ein Tier, aber alles endete im Chaos. Ich weiß noch, wie sie mich einmal am Telefon zu überreden versuchte, meinen Besuch um ein paar Wochen zu verschieben. Weil das nicht möglich war und ich trotzdem zur verabredeten Zeit kam, fand ich den Grund heraus: Sie hatte mein Haus abgerissen, ohne mich zu fragen! Sie hatte es einfach abtragen lassen, bis fast auf die Grundmauern, um es aufzustocken, mit einer großen Halle obendrauf und einem neuen Dach, war aber natürlich nicht fertig geworden. Ich musste ins Gästehaus ausweichen und dachte, ich werde wahnsinnig. Zum Glück bekam ich Malaria und konnte mir deshalb einreden, das Ganze sei ein Fieberwahn. Aber mit Hilfe von Lariam, der neuen Wunderpille von damals, wurde ich viel zu schnell wieder gesund und musste hilflos mitansehen, wie dreißig Bauarbeiter meinen Garten zertrampelten. Dummerweise hatte Mary beim Umbau die Treppe zum neuen Obergeschoss vergessen (»weil ja auch vorher keine da war«, wie sie das logisch begründete). Nachträglich fügten wir eine malerische Außentreppe hinzu, eine von mir entworfene, kühne Holzkonstruktion, gestützt vom großen Baobab-Baum. Ein paar Jahre später stürzte sie ein (das Holz war morsch geworden, kein Konstruktionsfehler!), und Mary brach sich ein Bein... tja, so rächt sich ein Haus.
    FEUERSTEIN: Stimmt es, dass du in Malindi mehrere Hunde hattest?
    ICH: Ja. Immer mindestens zwei, manchmal ein richtiges Rudel mit vier oder fünf Tieren. Endlich hatte ich genug Platz dafür sowie Leute, die auf sie aufpassen konnten, wenn ich weg war... obwohl sie das nicht gerade berauschend erledigt haben, denn wenn ich zurückkam, durfte ich jedes Mal einen Eimer voll Zecken aus den Fellen klauben. Leider kamen immer wieder Puffottern in den Garten, hoch giftig, aber relativ ungefährlich für Menschen, da sie nacht-aktiv sind und sich beim geringsten Geräusch verstecken. Aber in den Tropen sind die Hunde ebenfalls nachtaktiv und außerdem so doof, dass sie die Schlangen nicht in Ruhe lassen, wenn sie sie mal aufgespürt haben... bis diese zuschnappen. Einmal starben gleich drei Hunde in einer einzigen Nacht auf diese Weise.
    FEUERSTEIN: Irgendwie klingt das alles wie ein Bericht aus der guten alten Kolonialzeit...
    ICH: Mit dem Unterschied, dass Mary die Kolonialherrin war und ich bestenfalls der Verwalter. Während ich mich im Beisein anderer Menschen äußerst unwohl fühle,

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