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Feuersteins Ersatzbuch

Feuersteins Ersatzbuch

Titel: Feuersteins Ersatzbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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mal einem halben Prozent dieser Fläche, das sich trotz seiner geografischen Lage überhaupt nicht als Teil Afrikas verstand, sondern als Ableger Arabiens, unter dessen Herrschaft und Kultur es sich seit fast tausend Jahren entwickelt hatte. Dazu ein Stück unbewältigter Vergangenheit: Sansibar war der größte Umschlagplatz von Sklaven an der afrikanischen Ostküste gewesen, mehrere Millionen Menschen noch im 19. Jahrhundert, von den Arabern gefangen, von den Europäern gekauft.
    »Die Sklaven sind hier so wohlfeil, dass man zehn für ein Rind gibt«, meldet noch 1862 ein Berliner Professor voller Begeisterung, und mit lüsternem Schaudern erfahren die Besucher eines besonders schönen Hauses am Hafen, dass dessen einstiger Besitzer, der berüchtigte Menschenhändler Tippu Tip, aus seinem Bestand nicht nur zweimal am Tag zu seiner Entspannung ein neues Mädchen wählte, sondern sogar über einen speziellen Leibeigenen verfügte, der ausschließlich für das Nasenbohren zuständig war. »Abraham und Jakob hatten schließlich auch Sklaven«, rechtfertigte sich Tippu bibelfest gegenüber den Missionaren. Erst 187 3 wurde der Export von Sklaven verboten — privat, als Hauspersonal, durfte man sie noch weitere vierzig Jahre behalten.
    Würden sich Deutschland und Liechtenstein zu einem »gleichberechtigten Staatenbund« zusammenschließen, wäre dies sicher das Aus für die fürstlichen Extrawürste im Steuerparadies, und so war es wohl unausweichlich, dass sich die Sansibarer ausgebeutet und untergebuttert fühlten: Die Reichtümer der Insel mussten sie plötzlich mit einem der ärmsten Gebiete Afrikas teilen, christlich-animistische Schwarzafrikaner lösten die bisher streng islamische Verwaltung ab, die Politik wurde nur noch in der Hauptstadt Daressalam gemacht. Und was für eine Politik! Ähnlich wie Kenia hatte auch Tansania einen großen Alten, Julius Nyerere, der aber ideologischen Illusionen erlag und sein Land in ein sozialistisches Experiment führte, nach chinesischem Vorbild noch dazu. Aus weit verstreuten, winzigen Dorfgemeinschaften und nomadischen Hirten wurden »landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften«, mit dem Ergebnis, dass der Versuch schon in wenigen Jahren in eine Hungerkatastrophe mündete und die Wirtschaft des Landes komplett zusammenbrach.
    Natürlich war auch Sansibar davon betroffen, wenn auch nicht so folgenreich wie das Festland. Heute erinnert nur noch das »Mao-Stadion« in Sansibar-Stadt daran sowie ein Stück Bruderhilfe der DDR: Die hässlichsten und verkommensten Plattenbauten der Welt, mit denen verglichen Berlin-Marzahn wie die Erfüllung des Traums vom paradiesischen Wohnen wirkt, sowie ein trostloses »Luxushotel«, dessen Klimaanlage angeblich bei der Eröffnungsrede von Erich Honecker mit lautem Knall explodierte und seither nicht mehr repariert werden konnte. Auch der Swimmingpool ist schon seit Jahren verödet — aber das habe ich in Malindi auch allein geschafft, ohne Hilfe der DDR.
    Als »nachhaltig gestört« kann man die Beziehung zwischen den Festland-Afrikanern und den Insel-Arabern auch heute noch nennen, und die Forderung nach politischer Selbstständigkeit der Insel wird von Jahr zu Jahr stärker. Freilich mit wenig Aussicht auf Erfolg, denn durch den kräftigen Zuzug aus dem Festland verkümmert der arabisch orientierte Teil Sansibars zu immer kleinerer Minorität. Auch die politische Verwaltung ist fast ausschließlich schwarzafrikanisch und regiert die Insel auf eine Art, die von vielen als Besatzermentalität empfunden wird.
    Ein bisschen davon bekamen auch wir zu spüren, gleich bei der Ankunft, allerdings mehr auf komische — wenn auch nicht ganz ungefährliche — Art. Wir waren mit einer kleinen Chartermaschine aus Daressalam unterwegs, um einiges später als geplant, da sich die Abfertigung durch den Bürokram unendlich in die Länge gezogen hatte. Kurz vor 19 Uhr setzten wir zum Landeanflug an, und da der Flugplatz von Sansibar um diese Zeit schließt, waren wir froh, dass unser Pilot den Tower überreden konnte, uns gerade noch die Landeerlaubnis zu erteilen.
    Als wir auf der Piste aufsetzten, war es Punkt 19 Uhr — und in diesem Augenblick erloschen alle Lichter. Die Markierungen der Landebahn, die Lampen am Rollweg, die Beleuchtung des Flughafens — alles weg und stockdunkel. Für eine größere Maschine oder einen schlechten Piloten hätte das eine Katastrophe bedeuten können... für uns war es zum Glück nur ein komischer Schreck. Und

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