Feuersturm: Roman (German Edition)
dass Sparky dabei seine Pfoten im Spiel gehabt hatte.
Jules lehnte sich an den Tresen. »Das ist eine Affenschande. Man sollte annehmen, dass eine Stadt dieser Größe imstande sein sollte, ein paar kompetente Mitarbeiter zu finden.«
Anya starrte auf den Tresen und lauschte dem Eis, das krachend in ihrer Diätcola barst. »Das sind äußerst kompetente Leute, Jules. Manchmal hat man eben Pech. So was passiert.«
Jules schnaubte verächtlich. »Pech ist nicht unausweichlich, sondern das Resultat von zu viel Gedankenlosigkeit.«
»Ich glaube nicht, dass sich dort jemand gedankenlos verhalten hat, Jules.« Aber sie glaubte ihren eigenen Worten nicht. Sie allein war sorglos gewesen und hatte Sparky nicht im Auge behalten. Und Sparky hatte einfach das getan, was er immer tat: Er war seiner Elementargeistnase gefolgt … und sie hatte nicht auf ihn geachtet. Es war unterm Strich nicht sein Verschulden, sondern ihres.
»Den Nachrichten zufolge hat es dort gebrannt. Du hast selbst gesagt, dass neunzig Prozent aller Brände auf menschliche Dummheit zurückzuführen sind.«
Anya biss die Zähne zusammen. Damit hatte er beinahe zu sehr ins Schwarze getroffen. »Solange du noch kein Feuer überstehen musstest, Jules, solltest du auch kein Urteil fällen«, blaffte sie ihn an.
»Hört auf, ihr zwei«, sagte Brian. Auf seinen muskulösen Armen trug er zwei Sporttaschen, in denen irgendwelche Ausrüstungsgegenstände klimperten, und über seiner Schulter lag ein orangefarbenes Seil. »Es wird Zeit, dass wir uns auf den Weg machen.«
Anya blieb zurück, als Jules, Max und Katie zur Tür hinausgingen. Ciros Rollstuhlräder quietschten leise auf dem Boden; er streckte den Arm aus und tätschelte ihre Hand. Er trug einen Pyjama. Ciro begleitete sie nur noch selten bei ihren Einsätzen. Zu oft ging ihm allzu schnell die Luft aus. Er verließ das Devil’s Bathtub kaum noch. Max versorgte ihn mit Lebensmitteln, und er hatte hier alles, was er brauchte. Aus dem Obergeschoss hörte Anya die Jazzklänge von einer alten Platte. Dazu trällerte eine Stimme wie ein Kanarienvogel. Anya wusste, dass der Gesang nicht von der Platte stammte; Ciro war hier nie allein. Mit der Bar hatte er den Geist von Renee, einer Zwanziger-Jahre-Schönheit, gekauft, und Renee tat, was sie konnte, um auf den alten Mann aufzupassen. Sie war einer der wenigen Geister, die es tatsächlich genossen, gesehen und gehört zu werden.
»Lass dich von Jules nicht verrückt machen.«
»Wir sind wie Öl und Wasser, Ciro. Ich versuche, ihm nicht in die Quere zu kommen, aber …« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, wie lange das noch gutgehen kann.«
Nun hatte sie es doch zugegeben. Sie hatte schon einmal versucht, sich von den DAGR zu trennen, war aber zurückgekommen. Die Stadt brauchte die DAGR, und die DAGR brauchten sie. Aber sie alle wussten, dass Ciro der Kitt war, der die Gruppe zusammenhielt.
Um Ciros rheumatische Augen bildeten sich noch mehr Falten als üblich. »Kindchen, ich hab noch ganz viel Zeit übrig.«
»Das meinte ich nicht.« Sie atmete hörbar aus. »Ich meinte, Jules und ich … die Streitereien.«
»Jules ist ein guter Mensch.«
»Ja, das ist er.« Dieser Punkt war unbestritten. Jules meinte es gut. »Aber ich habe das Gefühl, er hält stur an einem Schubladendenken fest, in dem alles nur gut oder böse, richtig oder falsch ist. Für mich aber gibt es draußen eine Menge Graustufen, die er einfach nicht anerkennen will.«
»Ihr zwei solltet eure Differenzen wenigstens so lange beiseiteschieben, bis die Arbeit getan ist.« Ciro drückte ihre Hand. »Bitte.«
Sie konnte dem alten Mann nichts abschlagen, also erwiderte sie die Geste. »Ich werde es versuchen.«
»Gut. Und jetzt geh mit den anderen.« Ciro sah nach oben, wo noch immer die überirdische Stimme trällerte. »Ich hab eine Verabredung mit einem Engel.« Er zwinkerte ihr zu, strich die Aufschläge seines Pyjamaoberteils glatt und rollte zurück zu dem Fahrstuhl hinter der Theke.
Anya zog ihren Mantel an und ging lächelnd zur Vordertür. In seiner Jugend, so dachte sie, musste Ciro ein richtiger Aufreißer gewesen sein. Sie wartete auf das Knarren, das verriet, dass sich die Fahrstuhltür geschlossen hatte, und rief nach oben:
»Renee?«
Ein wunderschönes Gesicht, umrahmt von einem Bob glänzendes Haares, lugte durch die Decke herab, als würde eine Frau den Kopf ins Wasser halten, um auf den Grund zu schauen. Dichte Wimpern umrahmten Rehaugen, die Kleopatra
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