Feuersturm: Roman (German Edition)
Teufel soll das? Es ist vier Uhr morgens.«
»Hieven Sie Ihr jämmerliches Hinterteil aus dem Bett und kommen Sie ins Detroit Institute of Arts. Ich warte dort auf Sie.«
Damit legte er auf.
»Scheiße«, grollte Anya.
Sie hatte sich noch keine Gedanken über die logistischen Probleme bei der morgendlichen Körperreinigung unter Verzicht auf die Vorzüge einer Dusche gemacht. Nach einigen Fehlversuchen schaffte sie es schließlich, ihr Haar mit Hilfe der Spülbrause im Küchenbecken zu waschen. Anschließend unterzog sie sich mit den neuen Waschlappen aus dem Mega-Baby-Supermarkt einer Art Schwammwäsche. Sie musste zugeben, dass die Biobaumwollplüschwaschlappen nett waren. Wirklich nett.
Zitternd gelang es ihr schließlich, in ihre Arbeitskleidung zu schlüpfen, ohne sich dabei die Zähne aus dem Kopf zu klappern: schwarze Hose, kohlschwarze Bluse, schwarze Jacke. Sie legte etwas Lippenstift auf und beschloss, ihr Haar bei offenen Fenstern auf der Fahrt lufttrocknen zu lassen.
Als sie sich im Badezimmer am Waschbecken die Zähne putzte, sah sie, dass Sparky den Kopf auf den Rand der Badewanne gelegt hatte und sie beobachtete.
Entschlossen nahm Anya den Salamanderreif ab und legte ihn auf den Tisch. Kalte Wassertropfen rannten an ihrem Hals herab. Sie zog einen abwischbaren Marker aus der Tasche und ging neben der Wanne in die Knie.
»Das«, sagte sie, »ist nur zu deinem Besten.«
Sie zeichnete einen holprigen Kreis auf die Fliesen, einmal ganz um die Wanne herum. Sparky beobachtete sie dabei, und seine Kiemenwedel richteten sich sorgenvoll auf. Wenn ein magischer Kreis einen Salamander aus ihrem Bett zu verbannen mochte, dann konnte er bestimmt auch einen Salamander in der Badewanne festhalten. Selbst dann, wenn dieser Kreis schief war und teilweise über die Wand führte. Anya ließ eine kleine Lücke, um hineinzugreifen und Sparky zu umarmen.
»Du bleibst heute daheim.«
Der Salamander befreite sich aus ihrem Griff und trottete über den Badezimmerboden.
»Sparky!« Sie wusste nicht, wie sie ihn einfangen und zurückbringen sollte. Der Plan, den sie in ihrem benebelten Kopf geschmiedet hatte, hatte dergleichen nicht vorgesehen.
Sparky kletterte auf den Tisch, packte den Salamanderreif mit den Zähnen und watschelte zurück zur Badewanne. Dort drehte er sich dreimal im Kreis und knetete den Schlafsack mit den Pfoten, ehe er den Reif über dem Wasserhahn losließ.
»Okay«, sagte sie verständnislos. Aber wenn Sparky sich ihr näher fühlte, solange der Reif innerhalb des Kreises war, sollte es ihr auch recht sein.
Sie schloss den Kreis mit einem letzten Markerstrich, und Sparky kuschelte sich in sein Nest.
»Ich bin heute Abend zurück«, murmelte sie.
Als sie die Haustür hinter sich verriegelte, kratzte sich Anya geistesabwesend am Hals. Ohne den Reif fühlte sie sich nackt. Ungeschützt. In der Dunkelheit bildete sie sich ein, die Schatten um sie herum würden sich bewegen und näher rücken. Ohne ihre Alarmanlage in Form eines Salamanders fiel es ihr schwer, ihre Fantasie im Zaum zu halten.
Sie glitt hinter das Steuer des Darts und nahm das iPhone aus der Tasche.
»Sparky anrufen«, sagte sie.
Auf dem Display erschien das beruhigende, rot-orangefarbene Bild von dem Salamander in seinem Nest. Über die Audioübertragung glaubte sie, ein Schnarchen zu hören.
Anya atmete tief durch und drehte den Schlüssel im Zündschloss.
Er kommt schon klar, sagte sie sich immer wieder. Er kommt schon klar.
Allein, ihr fehlte der Glaube daran.
In den frühen Morgenstunden vor Anbruch der Dämmerung schlief noch die halbe Stadt. Die Straßenbeleuchtung summte leise, und die ersten Wagen krochen auf die Parkplätze der Vierundzwanzig-Stunden-Coffeeshops. Die Schnellstraßen waren nahezu verlassen, und die ersten Lichter in Schlafzimmern und Küchen der Reihenhäuser, die sich durch Maschendrahtzäune von der Straße abgrenzten, wurden gerade erst eingeschaltet. Die Stadt wirkte ruhig, friedlich. Aber Anya wusste, das war nur eine Illusion: Sie wusste, die Kinder träumten von Eltern, die um ihr finanzielles Überleben kämpften, Mütter und Väter unterhielten sich über verlorene Arbeitsstellen und den Umzug an einen anderen Ort. Schon jetzt bildete sich die übliche Schlange vor dem Arbeitsamt, und mehr als eine Person starrte gerade in ihr Müsli und überlegte, wie lange es wohl noch dauerte, bis die nächste Autofabrik schließen würde.
Sie bog auf die Woodward Avenue ein und brauste die Straße
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