Feuertanz
Erklärung, die ihr Angelica gegeben hatte. Sehr gut möglich, dass sie sich nach Irenes Besuch am Vormittag in der Distansgatan miteinander unterhalten hatten.
Irene ging auf das Foto mit dem schwarzen Halbprofil im Vordergrund zu. Sie deutete darauf und sagte: »Wissen Sie, wer das ist?«
»Das ist Sophie«, antwortete er ruhig.
Zu ruhig. Er hatte die Frage erwartet. Frej und seine Mutter hatten garantiert im Laufe des Tages miteinander gesprochen.
»Weshalb war sie dabei, als Sie das Feuer fotografierten?«
»Weshalb … weil sie es wollte.«
»Weshalb wollte sie es?«, beharrte Irene.
Frej wirkte verärgert und fauchte: »Weil sie wollte!«
»Beantworten Sie meine Frage. Wir können diese Vernehmung auch im Präsidium durchfuhren. Dann können Sie sich mit einem meiner Kollegen unterhalten.«
Sie ließ ihm Zeit, darüber nachzudenken. Es war ganz klar, dass Frej den Gedanken, sich mit anderen Polizisten in der raueren Umgebung des Präsidiums zu unterhalten, nicht sonderlich ansprechend fand. Hier hatte er Heimvorteil, und das gab ihm eine gewisse Sicherheit.
»Okay. Stellen Sie Ihre Frage noch einmal.«
»Weshalb wollte Sophie dabei sein, als Sie zu diesem Brand fuhren, um ihn zu fotografieren?«
»Sie wollte ihn live sehen, um das richtige Gefühl dafür zu bekommen.«
Er zuckte mit den Schultern und versuchte desinteressiert auszusehen. Irene entdeckte unter der gleichgültigen Oberfläche eine extreme Betretenheit. Sämtliche polizeilichen Instinkte sagten ihr, dass es mit den Fotos mehr auf sich hatte, als Frej zugeben wollte.
»Hat sie Sie oft begleitet, wenn Sie Brände fotografierten?«
»Nein … nur ein Mal.«
Zum ersten Mal vernahm Irene eindeutig Angst in seiner Stimme. Er ging auf den großen Tisch am anderen Ende des Raumes zu, setzte sich gespielt lässig auf die Tischkante und verschränkte die Arme auf der Brust. Aber seine Augen verrieten ihn, denn sie wichen Irenes Blick aus.
»Aber Sie haben doch gesagt, dass sie die Feuer live miterleben wollte. Das muss doch wohl heißen, dass sie Sie recht oft begleitet hat«, meinte Irene und fixierte ihn mit ihrem Blick.
»Also … klar … sie war vielleicht gelegentlich dabei. Aber es war wichtig für ihr Ballett«, gab er lahm zu.
»Ist es möglich, dass Feuer eine große Faszination auf sie ausübte? Vielleicht sogar über das normale Maß hinaus?«
Frej warf ihr einen raschen Blick zu, wich ihr dann aber sofort wieder mit den Augen aus. Als die Stille peinlich wurde, murmelte er: »Doch, vielleicht.«
Irene wählte ihre Worte sehr sorgfältig. Langsam sagte sie: »Hatten Sie je den Verdacht, dass sie selbst Dinge anzündete? Dass sie Pyromanin war?«
Er zuckte zusammen, als hätte sie ihm eine kräftige Ohrfeige verpasst.
»Pyromanin!«, rief er.
Jetzt sah er sie direkt an, und in seinem Blick lag panische Angst.
»Sehen Sie sich das Foto an, das unser Techniker mit dem Computer bearbeitet hat. Sehen Sie sich ihren Gesichtsausdruck an«, sagte Irene und reichte ihm das mit dem Computer bearbeitete Foto.
Lange betrachtete er das Bild seiner Schwester. Mit einem tiefen Seufzer gab er es Irene zurück.
»Es gefiel ihr wirklich, wenn es brannte. Sie sagte immer, Feuer reinige. Aber Pyromanin … ich weiß nicht«, meinte er und schüttelte langsam den Kopf.
In dem großen Haus klingelte irgendwo das Telefon. Frej stand auf und ging rasch in seine Wohnung. Das Klingeln verstummte. Nach ein paar Minuten kam er wieder in das Fotolabor.
»Ich muss weg. Felipe kriegt sein Auto nicht an, und ich muss ihn mitnehmen. Dafür brauche ich eine Viertelstunde zusätzlich.«
Auffordernd hielt er ihr die Tür weit auf. Irene blieb nichts anderes übrig, als zu gehen. Sie hatte trotzdem das Gefühl, dass sich ihr Verdacht bestätigt hatte. Feuer hatte Sophie fasziniert. Vielleicht war sie Pyromanin gewesen. Das nach außen hin asexuelle Mädchen hatte schließlich seine Neigung preisgegeben. Das Feuer war ihre Leidenschaft gewesen.
Am folgenden Tag mussten sich Irene und ihre Kollegen ganz der neuen Messerstecherei widmen. Alles deutete darauf hin, dass jemand aus Robertos Gang den Überfall auf Victor Fernandez gerächt hatte. Das neue Opfer schwebte nicht mehr in Lebensgefahr, hatte aber noch nicht vernommen werden können.
Die Ermittlungen kamen nur langsam voran, und das Mühsamste daran war, dass niemand aussagen wollte. Niemand, dem sein Leben lieb war, sagte gegen ein Bandenmitglied aus. Die Polizei konnte die Sicherheit der Zeugen
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