Feuertanz
hat nie etwas gesagt, was darauf hingewiesen hätte, dass sie den Brand verursacht hat?«
»Nein. Sie hat nur das erzählt, was ich an Sie weitergegeben habe.«
Damals hieß es, Sophie könne nicht lügen, dachte Irene. Aber offenbar konnte sie es doch, wenn es darauf ankam. Irene sprach ihre Gedanken jedoch nicht aus. Plötzlich richtete sich die auf dem Diwan zusammengesunkene Gestalt auf und hob ihren Kopf. Angelica sah Irene geradewegs in die Augen und sagte mit entschiedener Stimme: »Frej wusste nichts. Er tat nur, worum ihn Sophie bat, und fotografierte Brände.«
»Das verstehe ich«, sagte Irene und lächelte beruhigend.
Darüber würde sie sich dann schon noch mit Frej selbst unterhalten, wenn sie ihn in ein paar Stunden traf.
Er kam erst kurz vor halb sechs.
Irene nutzte die Wartezeit dazu, sich umzusehen. Als erstes ging sie durch den Garten und sah sich mit Hilfe ihrer Taschenlampe um. Der starke Wind rüttelte in den Kronen der alten Obstbäume und wirbelte das Laub auf. Auf der Rückseite des Hauses sah sie Angelicas Slip im nassen Gras, machte sich aber nicht die Mühe, ihn aufzuheben. Stattdessen öffnete sie die Tür in den Keller. Ein rascher Blick in die Sauna überzeugte sie davon, dass Hasse nicht da war. Er hatte jedoch einige Papiertüten in der Saunakabine deponiert. Dem Geruch nach handelte es sich um Essensreste von der Halloweenparty. Daneben standen auch ein paar Kartonweine, die vielleicht noch etwas Bodensatz enthielten. Irene fasste nichts an, sondern verließ das Haus auf demselben Weg, den sie gekommen war.
Während sie im Keller gewesen war, hatte es angefangen, in Strömen zu gießen. So rasch es bei dem glatten Rasen ging, begab sie sich zurück zu ihrem Wagen. Dort musste sie weitere zehn Minuten warten, bis der rote Mégane auftauchte.
Sie stiegen gleichzeitig aus ihren Autos und begrüßten sich. Frej ging vor ihr auf das vollkommen dunkle Haus zu. Er schloss auf und knipste dann die Außenbeleuchtung und das Licht in der Diele an. Irene blieb auf der Schwelle stehen, ehe sie eintrat.
Niemand hatte nach der Party aufgeräumt. Auf dem Boden lagen unzählige Plastikbecher, Zigarettenstummel und anderer Unrat. Über der Verwüstung schwebte ein durchdringender Geruch nach saurem Wein und kalten Kippen. Irene meinte auch, den leicht süßlichen Cannabisgeruch wahrzunehmen. Aber vielleicht bildete sie sich ihn ja auch nur ein, weil sie ihn noch vom Vortag in Erinnerung hatte. Frej kletterte über den Müll und ging mit energischen Schritten auf die Treppe zu.
Als sie im Dachgeschoss anlangten, öffnete er die Tür zur Dunkelkammer und sagte: »Sie können hier warten. Ich stelle nur eben meine Tasche in die Wohnung und gehe auf die Toilette.«
Mit einer übertriebenen Geste bedeutete er Irene einzutreten. Er machte Licht, schloss die Tür und verschwand in seinen Räumlichkeiten.
Das Zimmer war unverändert. Irene fiel von neuem auf, wie sauber und aufgeräumt es bei Frej war. Alles stand an seinem Platz. Das musste vielleicht so sein, wenn man in einer Dunkelkammer etwas finden wollte. An den Wänden hingen immer noch die Feuerbilder, auch das Foto mit Sophies undeutlichem Kopf im Vordergrund.
Irene hörte die Wasserspülung seiner Toilette. Wenig später trat Frej ins Zimmer. Er hatte seine Daunenjacke ausgezogen und trug den gestrickten hellblauen Pullover, den er von Ingrid Hagberg bekommen hatte. Sie freute sich sicher darüber, dass ihm der Pullover gefiel.
»Ich habe es eilig. In einer Stunde muss ich wieder zum Training«, informierte sie Frej.
»Wir brauchen nicht lange. Ich möchte Ihnen nur eine Frage stellen«, erwiderte Irene ruhig.
Sie wandte sich den Fotos zu, die dicht an dicht an der Wand hingen. »Weshalb fotografieren Sie nur Feuersbrünste?«, fragte sie.
»Ich mache auch andere Fotos!«
»Ach? Ich sehe hier keine anderen Bilder«, stellte Irene ruhig fest.
»Nein. Das liegt daran, dass ich Sophies Fotos noch nicht abgehängt habe«, erwiderte er heftig.
»Sind das Sophies Fotos?«
»Ja. Sie wollte, dass ich sie aufhänge, damit sie hier raufgehen kann, wenn sie Inspiration braucht.«
Seine Stimme klang trotzig und hatte einen hörbar aggressiven Unterton. Es war deutlich herauszuhören, dass er nicht klein beigeben wollte.
»Haben Feuer Sophie inspiriert?«
»Tja … also … jedenfalls, was den Feuertanz betraf. Sie musste diese Bilder vor sich haben, um die Bewegungen des Feuers beschreiben zu können.«
Das war genau dieselbe
Weitere Kostenlose Bücher