Feuertanz
Hacken zu sitzen, und wählte deswegen diese Position. Ehe sie die Beine hochzog, zog sie sich die Schuhe aus. Der eine Strumpf hatte ein Loch, aber das war ihr egal, denn damit war sie ja nicht die Einzige.
An den Wänden hingen Gemälde und Fotos. Irenes Herz setzte einen Schlag aus, als sie über dem Fernseher ein Schwarzweißfoto entdeckte, das mit einer Stecknadel an die Wand gepinnt worden war. Es handelte sich um eine Vergrößerung des Fotos, auf dem Sophies Kopf vor der Feuersbrunst zu sehen war. Da dieses Foto nicht mit dem Polizeicomputer bearbeitet worden war, sah man natürlich nicht, dass es sich um Sophie handelte. Irene kam es gelegen, dass gerade dieses Foto an der Wand hing. In ihrer Tasche hatte sie die am Computer bearbeitete Entsprechung dabei.
Angelica ließ sich mit dem Haarefönen demonstrativ viel Zeit. Irene war es egal. Sie fand es faszinierend, alles, was an den Wänden hing, zu betrachten. Plakate diverser Ballettaufführungen und Gemälde in allen möglichen Größen und Stilen. Es gab auch einige Fotos, die vermutlich Frej gemacht hatte. Irene erkannte sein Abiturfoto wieder, das sie bereits bei Ingrid Hagberg gesehen hatte. Von Sophie gab es mit Ausnahme des einen besagten über dem Fernseher kein Foto.
Der Fön verstummte, und Angelica betrat das Zimmer. Graziös ließ sie sich im Schneidersitz auf den Diwan gleiten.
»Was gibt’s denn so Wichtiges?«, fragte sie reserviert.
Angelica schien nicht wohl in ihrer Haut zu sein. Sie versuchte es durch einen mürrischen Tonfall zu verbergen. Irene wusste, was Sache war, und begann daher ohne weitere Umschweife: »Wie Sie vielleicht wissen, war ich Freitagabend in dem Haus in Änggården. Dummerweise hatte ich meinen Haustürschlüssel vergessen und musste deswegen Katarina finden, die mit Felipe und Frej unterwegs war. Es war schon recht spät, als ich nach Änggården kam. Die Party war bereits in vollem Gange, und ich wusste nicht so recht, ob ich einfach reingehen sollte. Also drehte ich erst einmal eine Runde ums Haus, um mir einen Überblick zu verschaffen. Ich hoffte, meine Tochter durch eines der Fenster zu entdecken. Auf der Rückseite des Hauses stieß ich zufällig auf ein Liebespaar, und zwar auf Sie und Marcelo.«
Irene hätte es nicht gewundert, wenn Angelica wütend geworden wäre. Stattdessen erhellte sich ihr Gesicht, und sie lächelte Irene an.
»Ach, das«, sagte sie nur.
»Haben Sie und Marcelo schon lange ein Verhältnis?«
»Ein Verhältnis? Nein. Ganz und gar nicht.« Angelica sah Irene amüsiert an.
Ihre Reaktion erstaunte Irene. Sie schien kein schlechtes Gewissen zu haben, und es schien ihr auch nicht peinlich zu sein, dass Irene sie gesehen hatte.
»Aber Sie hatten Sex«, sagte Irene.
»Ja.«
Angelica lächelte immer noch. Ihre Augen funkelten übermütig.
»Schlafen Sie des Öfteren mit Marcelo?«
»Das kommt vor, aber nicht sonderlich oft. Wir nehmen das beide nicht so ernst. Es macht eben Spaß.«
»Und was sagt Staffan dazu?«
»Der hat doch wohl nichts damit zu tun!«
Der warme Glanz in Angelicas Augen erlosch und wurde von einer eisigen Kälte abgelöst.
»Wir sind alle erwachsen«, meinte sie reserviert.
»Es geht mir nicht um Ihr Verhältnis zu Staffan, sondern um das zu Marcelo. Wir wissen, dass sich Sophie für Marcelo interessierte. Wusste Sophie, dass Sie mit ihm schliefen?«
»Damals … als sie noch lebte … hatten wir kein ›Verhältnis‹, wie Sie das nennen«, seufzte Angelica gelangweilt.
Sie verstummte und starrte lange durch die Fensterscheibe in der Balkontür.
»Außerdem waren Sophie und Marcelo nie ein Paar. Er mag nichts … Kompliziertes. Es war schließlich nicht leicht, aus Sophie klug zu werden, besonders nicht für jemanden wie Marcelo«, fuhr sie fort.
»Seit wann haben Sie ein Verhältnis mit Marcelo?«
»Was heißt hier Verhältnis … was für ein lächerliches Wort! Wir haben kein Verhältnis. Wir haben miteinander geschlafen, wenn wir Lust hatten und sich eine Gelegenheit ergab. Das erste Mal …«
Sie verstummte und schluckte, bevor sie fortfuhr: »An dem Wochenende, an dem … Sophie ermordet wurde. Samstagabend fand für eine Kollegin, die nach Kopenhagen ziehen wollte, ein Abschiedsfest statt. Ich ging hin, obwohl ich mir Sorgen um Sophie machte. Ich konnte schließlich nicht wissen, was in dieser Nacht passieren würde! Dass sie … dass sie in den Flammen umkommen würde.«
Tränen funkelten in Angelicas Augen.
»An jenem Abend wurden also Sie
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