Feuertanz
sie erleichterten ihr Leben ungemein, da sowohl Krister als auch sie unregelmäßige Arbeitszeiten hatten.
Es war Viertel nach sechs, und Krister war immer noch nicht zu Hause. Irene versuchte, ihn auf seinem Handy zu erreichen, erwischte aber immer nur eine sonore Männerstimme, die ihr mitteilte, die gewünschte Nummer sei im Augenblick nicht verfügbar. Sie rief im Glady’s Corner an und fragte nach ihm. Dort sagte man ihr, dass er das Restaurant zur üblichen Zeit verlassen habe. Eine leichte Unruhe bemächtigte sich ihrer, aber sie redete sich selber gut zu, dass es noch zu früh sei, sich ernsthaft Sorgen zu machen. Wahrscheinlich hatte Krister jemanden getroffen und war Kaffee trinken gegangen. Oder es war ihm etwas Wichtiges eingefallen, was er noch erledigen musste. Oder auch … was? Irene schluckte, als sie wieder auf die Uhr sah. Halb sieben. Warum hatte er sein Handy abgestellt?
Unruhig begann Sammie an der Haustür hin- und herzutraben. Das opulente Abendessen wollte verdaut werden. Er musste raus.
Irene befestigte die Leine an seinem Halsband und zog sich eine Regenjacke über. Dann machten sie einen raschen Spaziergang durch die Reihenhaussiedlung, ohne jemandem zu begegnen. Aus den Fenstern der Häuser fiel warmes, gemütliches Licht. Alle außer ihr saßen jetzt vor dem Fernseher und aßen Popcorn. Sie wusste, dass sie sich das nur einbildete. Als Polizistin wusste sie sehr wohl, was sich hinter respektablen und freundlichen Fassaden alles verbergen konnte. Der pädophile Trainer, mit dem Fredrik und einige Kollegen zu tun hatten, wohnte mit Frau und zwei kleinen Kindern in einem neu gebauten Einfamilienhaus in Askim. Er war Profisportler gewesen und Sportpsychologe von Beruf. Bei seiner Festnahme hatte er in seinem niegelnagelneuen BMW 530i gesessen. An seiner Fassade war wirklich nichts auszusetzen gewesen.
Alle zehn Minuten rief Irene Kristers Handy an, immer ohne Erfolg. Nach einer Weile begann Sammie an der Leine zu zerren. Er wollte nach Hause. Selbst ihm war es zu nass und ungemütlich. Als Irene die Tür öffnete, hoffte sie auf appetitliche Düfte aus der Küche.
Aber das Haus war genauso leer wie vorher, als sie es mit Sammie verlassen hatte. Krister war nicht nach Hause gekommen. Um Viertel vor acht schrillte das Telefon durch die Stille des Hauses. Irene stürzte zum Hörer und hörte selbst, wie atemlos sie klang, als sie sagte: »Hallo, hier ist Irene.«
»Sind Sie Frau Huss?«
Die Stimme am anderen Ende gehörte einer jüngeren Frau. Sie klang kühl und unpersönlich, aber vielleicht auch nur zielstrebig.
»Hier ist Ellen Brinkeman. Ich bin Ärztin am Sahlgrenska Krankenhaus. Ihr Mann befindet sich bei uns in der Notaufnahme. Er …«
»Was ist passiert?«, schrie Irene.
Ihre heftige Reaktion erstaunte sie selbst. Sie spürte, dass ihr Herz rasend klopfte, und ihr wurde schwarz vor Augen.
»Er ist außer Gefahr. Er litt an einer vorübergehenden Amnesie und konnte sich nicht mehr an seinen Namen und seine Adresse erinnern. Außerdem sind ihm sein Handy und seine Brieftasche abhanden gekommen. Wir konnten also seine Identität nicht feststellen. Aber vor kurzem konnte er sich wieder erinnern, und jetzt habe ich Sie also erreicht. Können Sie herkommen?«
»Na … natürlich«, brachte Irene mit Mühe über die Lippen.
Ihr Mund war vollkommen ausgetrocknet, und ihre Hände zitterten, als sie den Hörer auflegte. Sie musste sich erst eine Weile hinsetzen, bevor sie ihre Sachen zusammenpacken konnte, um ins Sahlgrenska zu fahren.
Bevor sie zu Krister hineinging, erzählte ihr die zuständige Krankenschwester, was vorgefallen war. Der erste Anruf bei der Polizei war um 16.35 Uhr gekommen. Einer der Metzger aus der Markthalle hatte gefunden, dass sich ein Kunde sehr seltsam benahm. Er hatte für fast zweitausend Kronen eingekauft und ohne weiteres bar bezahlt. Als er ihm das Wechselgeld habe zurückgeben wollen, habe der Kunde ihn seltsam angeschaut. Wortlos hatte er sich umgedreht und ohne seine Waren und ohne das Wechselgeld entfernt.
Der nächste Anruf war eine halbe Stunde später von der Cafeteria im Warenhaus NK gekommen. Die Kellnerin hatte die Polizei gebeten, einen Mann abzuholen, der betrübt und verwirrt wirke. Er wisse weder, wie er heiße, noch, wo er wohne. Offenbar sei ihm seine Brieftasche abhanden gekommen. Die Polizisten, die ihn abholten, schlossen, dass es sich um den Mann aus der Markthalle handeln müsse, da er der Beschreibung entsprach. Sie
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