Feuertanz
Vaters schlecht, und mir selbst geht es auch nicht so blendend.«
»Wissen Sie, ob Sophie ihrem Vater etwas über den Brand erzählt hat?«
Angelica schüttelte den Kopf.
»Keine Ahnung. Ernst und ich wechseln kaum noch ein Wort miteinander.«
»Haben Sie das gemeinsame Sorgerecht?«, wollte Irene wissen.
»Ja. Aber unter der Woche wohnt sie sonst nie bei ihm, weil der Schulweg zu weit wäre. Aber jetzt will sie die Schule wechseln, damit sie bei ihm bleiben kann.«
»Wo lebt er denn?«
»In Änggården.«
Angelica verzog mürrisch ihre rot geschminkten Lippen. Diese Unterhaltung sagte ihr offenbar nicht zu. Irene hatte das Gefühl, dass die Zeit knapp wurde, und versuchte fieberhaft und ohne Erfolg, sich eine weitere Frage einfallen zu lassen. Da ihr nichts Besseres einfiel, meinte sie schließlich: »Wir müssen zu Sophie zurück.«
Schweigend gingen sie den Korridor entlang. Irene war sich ihrer ein Meter achtzig ohne Absätze mehr als bewusst. Gleichzeitig tadelte sie sich dafür, dass sie sich von Angelicas Geschwätz hatte beeinflussen lassen.
Sophie schien sich unterdessen nicht vom Fleck bewegt zu haben. Die Frau von der Kinder- und Jugendpsychiatrie saß auf einem Stuhl neben ihr und erhob sich, als Irene und Angelica eintraten. Als sie an Irene vorbeikam, sagte sie leise: »Können wir uns anschließend noch unterhalten?«
»Natürlich«, erwiderte Irene.
Die folgenden Minuten verliefen ebenso ergebnislos wie die bisherigen Versuche, Sophie zum Sprechen zu bringen. Es hatte keinen Sinn, und Irene beschloss schließlich abzubrechen. Angelica wirkte erleichtert. Sophie verzog keine Miene, während sie sich von ihrem Stuhl erhob und ihrer Mutter aus dem Zimmer folgte.
Mit einem lauten Seufzer begrub Irene den Kopf in ihren Händen, als sich die Tür hinter ihnen schloss. Sofort trat die Frau von der Kinder- und Jugendpsychiatrie ein. Sie war Mitte dreißig und trug eine lange lila Wolljacke über einem bodenlangen, weiten Rock aus schwarzem Wollstoff. Ihr dichtes blondes Haar trug sie in einem von einer Lederspange gehaltenen Knoten. Sie setzte sich Irene gegenüber und betrachtete sie forschend durch ihre runde Brille. Sie kam direkt zur Sache.
»Das führt zu nichts. Sophie braucht Ruhe. Außerdem besitzt die Polizei keinerlei Erfahrung im Umgang mit Kindern.«
»Nein. Aber wenn der Verdacht auf eine Straftat besteht, müssen wir ermitteln«, versuchte Irene sich zu verteidigen. Die Psychologin fiel ihr sofort ins Wort. »Gibt es denn irgendwelche Anhaltspunkte für eine Straftat? Dieser Eriksson hatte doch schon früher im Bett geraucht und einen Brand verursacht. Sie quälen Sophie. Sie spürt, dass Sie ihr misstrauen. Schweigen ist ihre einzige Verteidigung gegen Sie und Ihre Fragen.«
»Weshalb kann sie denn nicht zumindest mit Ja oder Nein antworten?«, meinte Irene hilflos.
»Weil sie wahrscheinlich keine Antworten hat. Sie erinnert sich nicht. Natürlich erlitt sie einen Schock, als das Haus abbrannte und der Mann, den sie immerhin auch schon seit neun Jahren kannte, dabei ums Leben kam. Auf Traumata reagieren Kinder oft so. Sie verdrängen.«
Irene betrachtete die Frau, die direkt der Flower-Power-Ära entsprungen zu sein schien. Sie hatte natürlich Recht. Gleichzeitig nahm ein neuer Gedanke in ihrem Kopf Gestalt an.
Wenn Sophie sich nicht daran erinnerte, was passiert war, dann war es Aufgabe der Polizei, es herauszufinden.
Kaum hatte die Kinderpsychologin die Tür hinter sich geschlossen, da wurde sie auch schon von Kommissar Andersson aufgerissen.
»Du hast es also auch versaubeutelt«, stellte er trocken fest.
Er ließ sich auf den Stuhl fallen, von dem sich die Psychologin eben erst erhoben hatte. Er ist noch keine fünfzig, aber er sollte dringend abspecken, dachte Irene und betrachtete den Bauch, der ihm über den Gürtel hing. Dann hob sie den Blick und sagte: »Ja, leider. Aber ich glaube …«
»Wir stellen die Verhöre ein, es ist die reine Zeitverschwendung. Hier türmt sich die unerledigte Arbeit. Du kannst ja den Kontakt zu dieser Vogelscheuche von der Kinder- und Jugendpsychiatrie aufrechthalten, und falls das Mädchen plötzlich redet, können wir ja einen neuen Versuch starten.«
Irene wusste, dass er Recht hatte, wollte aber trotzdem nicht so schnell aufgeben. Sie holte tief Luft und sagte dann: »Ich finde, man sollte mit den Erwachsenen in ihrem Umfeld reden. Sie könnten uns eventuell Informationen liefern, die sich bei einem nächsten Verhör von
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