Feuertanz
hob den Haken, mit dem die schadhafte Tür verschlossen war. Quietschend ging die Tür auf. Der Schuppen war fast vollkommen leer. Einige defekte Gartengeräte lehnten in einer Ecke, und ein leerer Zementsack flatterte im Luftzug der offenen Tür. Im alten Laub ganz hinten an der Wand raschelte es, und Irene war klar, dass dieses alte Gebäude seine kleinen Bewohner hatte. Sie fuhr mit dem Lichtkegel über das Gerümpel auf dem Boden. Als sie hinter sich eine Stimme hörte, bekam sie fast einen Herzschlag.
»Was haben Sie hier zu suchen?«
Hastig drehte sie sich um, und der Schein ihrer Taschenlampe fiel auf eine kräftige Frauengestalt. Neben ihr stand ein Schäferhund. Aus seinem breiten Brustkorb war ein tiefes Knurren zu vernehmen. Die Leine fest in der Hand, stand die Frau breitbeinig da. »Leuchten Sie mir gefälligst nicht ins Gesicht! Verschwinden Sie, ehe ich die Polizei rufe!«, fauchte sie wütend.
Es duftete angenehm nach Kaffee und frischgebackenen Zimtschnecken. Die avocadogrünen Küchengeräte und die Einbauschränke aus Kiefernholz ließen auf eine gründliche Renovierung Anfang der siebziger Jahre schließen. Irene saß am großen Küchentisch und ließ sich die Zimtschnecken schmecken. Der Schäferhund lag laut schnarchend vor ihren Füßen. Am Herd stand die kräftige Frau und füllte Zuckerstücke in ein Schälchen aus Pressglas. Sie trug einen Rollkragenpulli aus schwarzer Baumwolle und eine schwarze Cordhose. Über dem Rolli hatte sie eine hübsche Wolljacke in verschiedenen Hellblautönen übergezogen, mit Haken und Ösen statt Knöpfen, die im Schein der Küchenlampe funkelten.
»Sie müssen schon entschuldigen, aber hier waren so viele komische Leute. Neugierige. Leute, die sehen wollten, ob es noch etwas zu stehlen gibt. Schaulustige, die sich den Ort ansehen wollen, an dem ein Mensch gestorben ist …«
Sie hielt inne und begann umständlich das Zuckerpaket wieder zu verschließen. Irene war klar, dass es sich hierbei um ein heikles Thema handelte. Ingrid Hagberg, geborene Eriksson, hatte der Tod ihres Bruders sehr mitgenommen.
Sobald Ingrid erfahren hatte, dass Irene Polizistin war, hatte sie sie sofort auf eine Tasse Kaffee eingeladen. Irene hatte dankend angenommen. Ingrid Hagberg hatte erzählt, dass sie einige Jahre zuvor Witwe geworden war und selbst kinderlos sei.
»Deswegen war Magnus’ Tod auch ein solcher Schock für mich. Außer ihm hatte ich keine Verwandten … außer Frej natürlich …«
Sie beendete den Satz nicht und sah auf ihre abgearbeiteten Hände, die auf der Tischplatte lagen. Für eine Frau waren sie ungewöhnlich groß. Ihre rötlichen Finger waren schwielig und geschwollen, die Fingerspitzen schrundig.
»Hatten Sie außer Magnus keine Geschwister?«, fragte Irene und biss in das noch warme, nach Zimt duftende Gebäck.
Ingrid seufzte und ließ zwei Zuckerstücke in ihre Kaffeetasse fallen.
»Wir waren zu dritt. Ich war die Älteste und Magnus der Jüngste. Der Mittlere war Einar. Er kam bei einem Mofaunfall ums Leben. Es war ein Geschenk zu seinem fünfzehnten Geburtstag gewesen, am Tag darauf ist er dann mit einem Auto zusammengestoßen. Unsere Mutter starb an gebrochenem Herzen. Ein Jahr danach erlitt sie einen Herzinfarkt. Da war sie erst sechsundfünfzig. Genauso alt wie ich dieses Jahr. Allerdings habe ich erst im Oktober Geburtstag.«
Sie nahm sich noch ein Gebäckstück, und Irene kam der Gedanke, dass Ingrids Übergewicht angesichts dieser Familiengeschichte nicht unbedingt förderlich war. Sie machte einen schwerfälligen Eindruck, aber unter ihrer rauen Schale spürte Irene eine große Herzlichkeit. Sie beschloss, sich endlich an das Thema heranzuwagen, dessentwegen sie gekommen war.
»Sie erwähnten Frej. Wie kam es, dass Sie ihn im Auto dabei hatten? Sie trafen fast zeitgleich mit seiner Mutter ein.«
»Ja. Ich hatte nach ihrem Wagen Ausschau gehalten. Mein Hof liegt gegenüber vom Laden, und ich kann die Bushaltestelle sehen. Ich kriege vom Küchenfenster auch mit, wenn ein Auto auf den Weg zur Häuslerkate einbiegt. Und da es das einzige Haus an diesem Weg ist, biegen nicht viele Autos ab. Ein Scheinwerfer von Angelicas Golf ist defekt und leuchtet nur schwach. Ich erkenne ihr Auto also immer. Als ich sie kommen sah, fuhr ich ihr mit Frej hinterher. Schließlich konnte ich den Jungen hier nicht allein lassen. Obwohl ich nicht weiß, ob das richtig war. Schließlich hat er das Haus gesehen oder die Überreste davon, aber er wollte zu
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