Feuertanz
Ermittlungen gestalteten sich komplizierter, als sie anfänglich gedacht hatten.
Die Zeit verging, und der Brand in Björkil geriet im Aktenstapel immer weiter nach unten. Im Frühjahr rief Irene bei der Kinder- und Jugendpsychiatrie an, und es gelang ihr sogar, die Psychologin an den Apparat zu bekommen, die mit Sophie beim Verhör im Präsidium gewesen war. Laut der bedächtigen Psychologin hatte Sophie über den schicksalhaften Gustav-Adolf-Tag noch immer kein Wort verloren. Sie sagte im Großen und Ganzen überhaupt nichts. Das Schlusswort der Psychologin gab zu wenig Hoffnung Anlass: »Die Polizei muss einfach akzeptieren, dass Sophie eine Behinderung hat. Sie ist anders. Wir haben eine Diagnose und versuchen ihr zu helfen. Aber es kann lange dauern, bis sie überhaupt den Wunsch verspürt, etwas zu erzählen. Vielleicht kommt es auch nie dazu. Vielleicht wird sie nie etwas über den Brand sagen. Wir können einfach nur abwarten.«
Seufzend legte Irene auf.
Die Kinder- und Jugendpsychiatrie ließ nicht wieder von sich hören, und Irene rief ebenfalls nicht mehr dort an. Die Zeit verging, und die Ermittlungen im Brandfall von Björkil wurden eingestellt. Man ging davon aus, dass er von einer im Bett gerauchten Zigarette verursacht worden war.
ZWEITER TEIL 2004
»Ich vermute, dass wir die Letzten waren, die sie gesehen haben. Schließlich scheint sie niemand mehr im Verlauf der Nacht … oder sollte man vielleicht sagen … im Verlauf des Morgens … gesehen zu haben.«
»Wann trafen Sie im Park Aveny Hotel ein?«
»Tja … gegen zwölf. Vielleicht um Viertel nach zwölf. Ich erinnere mich nicht mehr so genau, schließlich ist es schon eine Weile her. Wir waren auf einem Fest des Verlags, sehr nett, es gab viel zu essen und zu trinken. Ehrlich gesagt vielleicht sogar etwas zu viel zu trinken, deswegen bin ich mir auch mit der Uhrzeit nicht ganz sicher. Ich trinke mir eigentlich nie einen Rausch an, aber das mit der Buchmesse in Göteborg ist schließlich etwas Besonderes. Man könnte sagen, dass es sich um eine Art riesigen Betriebsausflug der Buchbranche handelt. Die Schriftstellerei ist eine ziemlich einsame Angelegenheit. Man hat keine Kollegen, es gibt niemanden, mit dem man Kaffee trinken oder an dem man Ideen ausprobieren könnte. Und dann gibt es einfach eine … Riesenparty, wenn man zur Buchmesse kommt. Das Publikum, die Kollegen, die Verlagsleute, das Interesse der Medien … plötzlich steht man als Schriftsteller im Zentrum. Das ist ein wahnsinniger Unterschied zum einsamen Alltag am Computer. Klar, dass man sich davon mitreißen lässt! Schließlich passiert das nur einmal im Jahr. Nach dem Verlagsfest am Donnerstagabend gehen wir immer ins Park Hotel. Das haben wir in all den Jahren getan, in denen meine Bücher im Borgstens Verlag erschienen sind. Das ist eine Art Nachfeier, bei der man alle trifft, die man kennt. Also … alle kennt man vielleicht nicht, aber sehr viele. Die meisten. Natürlich sind da auch viele, die man nicht …«
»War Sophie bereits dort, als Sie kamen?«
»Nein, ich bin mir fast sicher, dass sie später kam. Es hatte den Anschein, als würde sie diesen dunkelhaarigen, gut aussehenden jungen Mann kennen … Marcelo heißt er. Ich erinnere mich, dass sie plötzlich neben ihm stand. Ich saß nämlich am Nachbartisch, denn wir waren noch nicht an ihren Tisch umgezogen, aber ich saß so, dass ich sie sehen konnte …«
»Wer ist Marcelo?«
»Marcelo? Ich glaube, er ist auch Tänzer. Er ist ein Freund von Pontus Backman, der an ihrem Tisch saß. Er ist der neue Shootingstar der Poesie. Max und ich kennen ihn beide, weil wir denselben Verlag haben, obwohl ich überhaupt keine Lyrik schreibe. Wirklich nicht! Das könnte ich nie. Ich bastele an meinen Kriminalromanen. Wenn man erst mal so alt ist wie ich, soll man sich an die Sachen halten, die man kann. Obwohl ich in der Tat auch zwei Fachbücher über Rosenzucht geschrieben habe. Das war noch, bevor ich mit den Krimis anfing. Ich war nämlich Journalistin bei einer Gartenzeitschrift und …«
»Kam sie allein?«
»Ja. Da bin ich mir ziemlich sicher. Zumindest war sie allein, als sie neben Marcelo auftauchte.«
»Sie haben also nicht gesehen, wann sie das Park Hotel betrat?«
»Nein. Wie auch. Die Lobby war voller Leute. Es war ein ständiges Kommen und Gehen durch diese Drehtür.«
»Natürlich. Wie spät war es, als sie an Ihrem Tisch auftauchte?«
»So zwischen halb eins und eins. Glaube ich … jedenfalls
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