Feuertanz
können.
Und jetzt war Sophie tot.
Fünfzehn Jahre nach dem Brand der Häuslerkate in Björkil.
Irene schaltete den Computer ein, beachtete aber nicht, was auf dem Bildschirm auftauchte. Geistesabwesend starrte sie aus dem Fenster. Der Herbstregen hatte Landkarten in die dicke Schmutzschicht gemalt. Es dämmerte bereits. Eigentlich hätte sie Licht machen müssen, blieb aber in der zunehmenden Dunkelheit sitzen. In Gedanken kehrte sie in die Vergangenheit zurück, um die bisherigen Ergebnisse der Ermittlung zu sortieren.
Vom Korridor her war das Klappern von Porzellan zu hören. Ein Duft von Kaffee und frischgebackenen Zimtschnecken drang zu ihr ins Zimmer. Aber vielleicht bildete sie sich das auch nur ein, weil sie wusste, dass es heute zum Kaffee etwas Besonderes geben würde.
Nach Aussage mehrerer Zeugen war Sophie Malmborg erst spät in der Bar des Park Aveny Hotel aufgetaucht, wahrscheinlich gegen halb eins. Sie hatte sich einer Gruppe angeschlossen, die mindestens eine Stunde vorher eingetroffen war. Die Gruppe hatte aus drei jungen Männern und zwei Frauen bestanden. Alle kannten sich mehr oder minder gut. Gegen eins hatten sich Max Franke, Alicia Mattson und der Verleger Viktor Borgsten den jungen Leuten angeschlossen. Die Älteren waren mindestens genauso angeheitert gewesen wie die Jüngeren. Laut dem Dichter Pontus Backman war Max Franke an ihren Tisch getreten und hatte gerufen: »Sei gegrüßt, mein kleiner Hase!« Oder etwas in dieser Art. Dann hatte er Sophie umarmt. Sie war wie immer steif wie eine Statue gewesen.
»Seltsames Mädel«, hatte Pontus Backman seine Zeugenaussage beendet. Im Übrigen hatte der Dichter keine deutliche Erinnerung an den Verlauf der Nacht. Seine Erinnerung setzte laut seiner Aussage erst wieder ein, als er neben einer ungepflegten Blondine namens Kia erwachte. Von ihrem Nachnamen war nie die Rede gewesen, was nicht weiter schlimm sei, denn sie hätten sich seit jener Nacht Ende September nicht wieder gesehen. Kia wohnte in Majorna und absolvierte irgendeine künstlerische Ausbildung. Mit einer müden Handbewegung hatte er sich über seinen dünnen Bocksbart gestrichen und geseufzt: »Es stank wirklich ganz übel nach Terpentin und Farbe. Hätte ich nicht schon Kopfschmerzen gehabt, hätte ich welche davon bekommen. Ungefähr wie jetzt.«
Letzteres hatte entschuldigend geklungen. Irene hatte keinen Moment an seinem Kater gezweifelt. Er hatte nach Zigaretten, Knoblauch und Rotwein gestunken.
An die Fahrt mit dem Aufzug zur Suite von Max Franke hatte er sich nicht mehr erinnern können. Deshalb fehlte ihm auch jede Erinnerung daran, ob Sophie davon gesprochen hatte, die Treppe zu benutzen.
Das Gespräch mit Christina, »Kia«, Strömberg hatte die Ermittlung nicht weitergebracht. Bereits ein erster Blick durch die Glastüren des Wartezimmers beim Empfang hatte in Irene den Verdacht geweckt, Christina befände sich in einem Rauschzustand. Sie trug schwarze Kleider und darüber eine weiß gemusterte Decke, in die sie ein Loch geschnitten und die sie wie einen Poncho übergestülpt hatte. Ein grauer, um die Taille gebundener Schal hielt die Decke zusammen. Ihre Bewegungen waren ruckartig und nervös. Wie ein eingesperrtes Tier strich sie an den Wänden des Wartezimmers entlang, zu rastlos, um sich einfach hinzusetzen.
Es stellte sich heraus, dass Kia Sophie kaum gekannt hatte.
»Sophie wollte auffallen. Ihre Kleider und so. Sie klammerte sich an Marcelo. Was sollte er groß machen. Schließlich war er von ihr abhängig«, sagte sie und zupfte mit ihren schmalen Fingern unablässig an den Fusseln ihrer Decke.
Ihre Personenkennziffer enthüllte, dass Kia sechsundzwanzig Jahre alt war, sie sah jedoch bedeutend älter aus. Im Gesicht hatte sie tiefe Aknenarben, und das strähnige, blond gefärbte Haar wirkte verfilzt. Offenbar versuchte sie mit geringem Erfolg, sich Dreadlocks zuzulegen. Das kohlrabenschwarze Makeup um die Augen war verschmiert.
Irene fragte, inwiefern Marcelo von Sophie abhängig gewesen sei. Kia warf ihr daraufhin einen schwer zu deutenden Blick zu und antwortete knapp: »Sie wohnten zusammen.« Auf Irenes Frage, wie lange, lachte Kia knisternd, als trete man auf trockenes Laub. »Weiß nicht. Sie besaß, glaube ich, irgendwo ein Haus.«
Letzteres hatte Irene später überprüft und festgestellt, dass es stimmte. Ernst Malmborg war im Sommer 2002 mit dreiundsiebzig Jahren an Krebs gestorben. Seine einzige Tochter war Alleinerbin eines beachtlichen
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