Feuertanz
irgendwann dann …«
»Wann beschlossen Sie, aufzubrechen?«
»Gegen halb zwei. Dann schließt auch die Bar. Wir hatten das Gefühl, es sei noch viel zu früh zum Aufhören. Deswegen wollten noch ein paar Leute hoch in die Suite von Max Franke. Er nimmt immer eine Kiste guten Wein auf die Messe mit. Max ist schließlich einer unserer bekanntesten Schriftsteller, auch international, und wir sind seit unserer Jugend gut befreundet. Jetzt haben wir auch noch denselben Verlag. Seine erste Frau Barbro und ich waren auf der Journalistenschule befreundet. Es war …«
»Wollte Sophie auch mit in diese Suite?«
»Ja. Max und ihr Vater waren verwandt … ich glaube, sie waren Cousins … Sie wissen doch, dass Ernst Malmborg ihr Vater ist?«
»Ja.«
»Natürlich, das wissen wahrscheinlich die meisten. Es war ein wahnsinniger Skandal, als …«
»Sophie wollte also mit hochkommen in Max Frankes Suite. Was geschah dann?«
»Die Suite war im obersten Stockwerk. Alle, die mitwollten, drängten sich in einen der Fahrstühle. Alle, außer Sophie. Sie wollte nicht den Aufzug nehmen. Sie sagte, sie würde lieber Treppen steigen.«
»Sie sagte also nur, dass sie lieber zu Fuß ging. Sonst nichts?«
»Jedenfalls habe ich sonst nichts gehört. Nur, dass sie die Treppe nehmen wollte. Und das tat sie auch. Ich erinnere mich, dass ich sie Richtung Treppe verschwinden sah, als sich die Aufzugtüren schlossen. Und das war wie gesagt das Letzte, was ich von ihr gesehen habe.«
Kriminalinspektorin Irene Huss nickte, als stimme sie ihr zu. Die Aussage der Schriftstellerin deckte sich im Großen und Ganzen mit dem, was sie bisher in Erfahrung gebracht hatten. Und das war nicht sonderlich viel. Die Frau, die ihr am Schreibtisch gegenübersaß, schien sich dem Rentenalter zu nähern. Sie hieß Alicia Mattson, und Irene hatte noch nie von ihr gehört. Sie interessierte sich allerdings auch nicht sehr dafür, was in der Welt der Literatur so vor sich ging. Dafür hatte sie ganz einfach keine Zeit. Von Max Franke hatte sie allerdings ein Buch gelesen. Sie hatte es auf dem Flughafen Landvetter für einen Kreta-Urlaub gekauft. Es war ein Kriminalroman gewesen mit Schauplatz Stockholm. Laut Klappentext hatten sich Max Frankes Romane in den letzten Jahren in riesigen Auflagen verkauft, was ihn zu einem der bekanntesten Schriftsteller Schwedens gemacht hatte. Jetzt tauchte sein Name in ihrer Ermittlung auf.
Bereits beim Lesen der ersten Kapitel hatte sich Irene über die fehlerhafte Beschreibung der Ermittlungsarbeit geärgert. Außerdem gab es erstaunlich viele Opernfans und Weinkenner innerhalb des literarischen Polizeiwesens. Sie war jetzt seit siebzehn Jahren Polizistin, und ihr einziger Kollege, der Opern hörte, war merkwürdigerweise ihr Chef Sven Andersson. Er hatte auch immer eine Menge CDs mit Musik aus den fünfziger und sechziger Jahren in seinem Auto. Seine Favoriten waren Glenn Miller und Louis Armstrong. Im Unterschied dazu trank er am liebsten Bier und Schnaps. Wein hielt er für ein Weibergesöff.
Sie dankte Alicia Mattson, dass sie sich die Zeit genommen hatte, ins Präsidium zu kommen und eine Aussage zu machen. Die kleine, pummelige Schriftstellerin zwitscherte fröhlich, das habe ihr keine weiteren Umstände bereitet, sie würde die Autofahrt von Sävedalen nach Göteborg als Recherche von der Steuer absetzen.
»Ich war tatsächlich noch nie in einem Polizeipräsidium, und das, obwohl ich schon dreizehn Kriminalromane geschrieben habe! Die Heldin meiner Bücher besitzt einen Blumenladen und das Talent, immer mitten in irgendwelchen Ermittlungen von Kriminalfällen zu landen«, vertraute sie Irene an, ehe sie in der Eingangshalle verschwand.
Irene versuchte ihren Ärger zu unterdrücken und nahm sich vor, keinesfalls versehentlich für die nächste Urlaubsreise ein Buch von Alicia Mattson zu kaufen.
Irene setzte sich wieder in ihr Büro und dachte nach. Es war ein merkwürdiges Gefühl, plötzlich einem Gespenst aus der Vergangenheit zu begegnen. Manchmal war sie in ihren Träumen aufgetaucht mit ihren großen, etwas schrägen, braunen Augen und dem ausdruckslosen Blick. Oder war dieser Blick gar nicht ausdruckslos gewesen? Hatte sie nur einfach einen schützenden Vorhang heruntergelassen, um nichts preiszugeben? Oder den Bildschirmschoner aktiviert, wie ihre Töchter es ausgedrückt hätten? Irene hatte im Laufe der Jahre oft an den schwer zu deutenden Blick von Sophie Malmborg gedacht, ihn aber nie enträtseln
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