Feuertaufe
die Ärmel hochkrempelte und das Messer hervorholte. »Denn dieses hier gerinnt schon.«
Mit einer geübten, schnellen Bewegung schnitt sie die Decke von der Brust bis zum Waidloch auf, wobei sie die Klinge geschickt um die Geschlechtsorgane herumführte. Vorsichtig teilte sie die Fettschicht, besudelte sich die Arme bis zu den Ellenbogen, als sie den Schlund durchtrennte und den Aufbruch heraushob. Sie schnitt den Magen und die Gallenblase auf, um Bezoarsteine zu suchen. An deren magische Eigenschaften glaubte sie nicht, doch es fehlte nicht an Dummköpfen, die daran glaubten und dafür bezahlten.
Sie nahm den Bock auf und legte ihn auf einen umgestürzten Baumstamm in der Nähe, mit dem aufgetrennten Bauch nach unten, so dass das Blut ablaufen konnte. Sie wischte sich die Hände an der Oberseite des Farnkrautes ab.
Sie setzte sich neben die Beute.
»Besessener, wahnsinniger Hexer«, sagte sie leise, den Blick zu den hundert Schritt über ihr schwebenden Wipfeln der Brokilon-Fichten gerichtet. »Du brichst auf der Suche nach deinem Mädchen nach Nilfgaard auf. Brichst ans Ende der Welt auf, die in Flammen steht, und hast nicht mal daran gedacht, dich mit Wegzehrung zu versorgen. Ich weiß, dass du jemanden hast, für den du lebst. Aber hast du auch was, wovon du leben kannst?«
Die Fichten unterbrachen ihren Monolog natürlich nicht und kommentierten ihn nicht.
»Ich denk mir«, fuhr Milva fort, während sie mit dem Messer Blut unter den Fingernägeln hervorpolkte, »dass du überhaupt keine Chancen hast, dieses Fräulein von dir zu finden. Nicht nur, dass du nicht nach Nilfgaard kommst, du schaffst es nicht mal bis zur Jaruga. Ich denk mir, du kommst nicht mal nach Sodden. Ich denk mir, dass du dem Tode geweiht bist. Auf deinem zusammengepressten Mund steht er geschrieben, aus deinen widerwärtigen Augen schaut er hervor. Der Tod wird dich ereilen, wahnsinniger Hexer, und das schon bald. Aber dank diesem Böcklein wird es wenigstens nicht der Hungertod sein. Und das ist immerhin etwas. Denk ich mir.«
Beim Anblick des in den Audienzsaal tretenden Nilfgaarder Botschafters seufzte Dijkstra insgeheim. Shilard Fitz-Oesterlen, der Gesandte von Kaiser Emhyr var Emreis, hatte die Angewohnheit, Gespräche in der Sprache der Diplomatie zu führen, und flocht in seine Sätze mit Vorliebe pompöse Sprachungetüme ein, die nur Diplomaten und Gelehrten verständlich waren. Dijkstra hatte an der Oxenfurter Universität studiert und zwar keinen Magistergrad erlangt, kannte aber die Grundzüge des akademischen Jargons. Er benutzte ihn jedoch ungern, denn im tiefsten Inneren verabscheute er Pomp und alle Arten von prätentiöser Förmlichkeit. »Ich grüße Euch, Exzellenz.«
»Herr Graf.« Shilard Fitz-Oesterlen verbeugte sich förmlich. »Ach, geruht bitte zu entschuldigen. Vielleicht sollte ich schon sagen: durchlauchtigster Fürst? Euer Hoheit Reichsregent? Euer Durchlaucht Staatssekretär? Bei meiner Ehre, Euer Hochwohlgeboren, die Würden regnen derart auf Euch herab, dass ich wahrlich nicht weiß, wie ich Euch titulieren soll, ohne das Protokoll zu verletzen.«
»Am besten wäre >Euer königliche Gnaden<«, erwiderte Dijkstra bescheiden. »Ihr wisst doch, Exzellenz, dass der Hof den König macht. Und es ist Euch sicherlich nicht unbekannt, dass ich nur zu rufen brauche: >Springen!<, und der Hof in Dreiberg fragt: >Wie hoch?<«
Der Botschafter wusste, dass Dijkstra übertrieb, aber gar nicht so sehr. Prinz Radowid war minderjährig, Königin Hedwig vom tragischen Tod ihres Gatten niedergedrückt, die Aristokratie verängstigt, kopflos, zerstritten und in Fraktionen gespalten. Die Regierung in Redanien lag de facto in den Händen Dijkstras, und Dijkstra hätte mühelos jede Würde erlangt, die er nur wollte. Doch Dijkstra wollte keine.
»Euer Hochwohlgeboren haben geruht, mich rufen zu lassen«, sagte der Botschafter nach einer Weile. »Unter Übergehung des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten. Was verschafft mir diese Ehre?«
»Der Minister« - Dijkstra richtete den Blick zur Decke - »hat aus gesundheitlichen Gründen sein Amt zur Verfügung gestellt.«
Der Botschafter nickte gewichtig. Er wusste nur zu gut, dass der Außenminister im Kerker saß, und da er ein Feigling und ein Idiot war, hatte er zweifellos schon beim Vorzeigen der Instrumente, das dem Verhör vorausging, alles über seine Konspiration mit dem Nilfgaarder Spionagedienst erzählt. Er wusste, dass das von Vattier de Rideaux, dem
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