Feuertaufe
flüsterten weiter und zeigten diskret auf die nächsten Ratten, die im Schritt durchs Dorf ritten. Dauser hörte zu, weil ihm nichts anderes übrigblieb. Er kannte die Gerüchte und das Gerede nicht schlechter als die anderen und konnte sich ohne Mühe denken, dass der mit den wirren, schulterlangen strohblonden Haaren, der gerade in einen Apfel biss, Kayleigh war, der Breitschultrige Asse und der mit dem bestickten Halbpelz Reef.
Das Defilee beschlossen zwei Mädchen, die nebeneinander ritten und sich bei den Händen hielten. Die größere, die auf einem Braunen saß, kurzgeschoren, als habe sie Typhus gehabt, hatte ihre Jacke aufgeschnürt; eine Spitzenbluse blitzte darunter in makellosem Weiß hervor, Halsband, Armreifen und Ringe versprühten blendende Reflexe.
»Die Geschorene ist Mistle ...«, hörte Dauser. »Mit Klunkern behängt wie ein Tannenbaum zum Julfest ...«
»Es heißt, sie habe mehr Leute umgebracht, als sie an Jahren zählt...«
»Und die andere? Auf dem Fliegenschimmel? Die das Schwert auf dem Rücken trägt?«
»Falka nennen sie sie. Die reitet seit diesem Sommer mit den Ratten. Soll auch ein sauberes Früchtchen sein...«
Das saubere Früchtchen war, wie Dauser schätzte, nicht viel älter als seine Tochter, Milenka. Die aschblonden Haare der jungen Banditin quollen unter einem Samtbarett hervor, an dem übermütig ein Büschel Fasanenfedern wippte. Am Hals prangte ein Seidentuch von Mohnfarbe, zu einer phantastischen Kokarde gebunden.
Unter den vor ihre Hütten getretenen Dorfbewohnern kam plötzlich Bewegung auf. Denn nun hatte der an der Spitze der Bande reitende Giselher sein Pferd gezügelt, warf mit lässiger Geste ein klingendes Beutelchen vor die Füße der auf eine Krücke gestützten Großmutter Mykitka.
»Mögen die Götter dich beschützen, liebes Söhnchen!«, heulte Großmutter Mykitka auf. »Gesund sollst du sein, unser Wohltäter, dass dir...«
Das perlende Lachen Flammes übertönte das Gemurmel der Alten. Die Elfe warf draufgängerisch den rechten Fuß über den Sattelbogen, langte in den Geldbeutel und warf mit Schwung eine Handvoll Münzen in die Menge. Reef und Asse folgten ihrem Beispiel, ein wahrer Silberregen ging auf die sandige Straße nieder. Kayleigh warf mit lautem Lachen das Kerngehäuse seines Apfels auf die nach dem Gelde grapschenden Leute.
»Wohltäter!«
»Unsere Goldkinder!«
»Glück und Gesundheit sollt ihr haben!«
Dauser folgte den anderen nicht, sank nicht auf die Knie, um Münzen aus dem Sand und dem Hühnerdreck zu klauben. Er blieb am Zaun stehen und schaute die langsam vorbeireitenden Mädchen an. Die jüngere, die mit den aschblonden Haaren, bemerkte seinen Blick und seinen Gesichtsausdruck. Sie ließ die Hand der Kurzgeschorenen los, trieb das Pferd an und ritt auf ihn los, drückte ihn gegen den Zaun und hätte ihn um ein Haar mit dem Steigbügel gestreift. Er sah ihre grünen Augen und erschauderte. So viel Bosheit und kalter Hass lagen darin.
»Lass sein, Falka«, rief die Kurzhaarige. Es war nicht nötig. Die grünäugige Banditin begnügte sich damit, Dauser gegen den Zaun zu drängen, dann folgte sie den Ratten, ohne sich auch nur umzublicken.
»Wohltäter!«
»Goldkinder!«
Dauser spuckte aus.
Am späten Nachmittag kamen die Schwarzen ins Dorf, die Schrecken erregenden Kavalleristen aus dem Fort bei Fen Aspra. Die Hufeisen klangen, die Pferde wieherten, Waffen klirrten. Der Schulze und die anderen befragten Bauern logen, was das Zeug hielt, schickten die Verfolger auf eine falsche Fährte. Dauser wurde von niemandem gefragt. Und das war gut so.
Als er von der Weide zurückkam und in den Garten ging, hörte er Stimmen. Er erkannte das Flüstern der Zwillingsmädchen des Stellmachers Zgarba und die Stimmen der Nachbarsjungen. Und die von Milenka. Sie vergnügen sich, dachte er. Er trat hinter der Holzkammer hervor. Und erstarrte.
»Milena!«
Milenka, seine einzige lebende Tochter, sein Augapfel, hatte sich eine Holzlatte an einer Schnur über den Rücken geworfen, die ein Schwert darstellte. Die Haare hatte sie gelöst, an der Wollmütze eine Hahnenfeder befestigt, um den Hals ein Tuch der Mutter geschlungen. Zu einer sonderbaren, phantastischen Kokarde.
Sie hatte grüne Augen.
Dauser hatte die Tochter noch nie geschlagen, noch nie vom väterlichen Riemen Gebrauch gemacht. Das war das erste Mal.
Am Horizont blitzte es, donnerte. Ein Windstoß fuhr wie eine Egge über die Oberfläche des Bandwassers. Es kommt ein
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