Feuertaufe
Eschenknüppel.
An die Latten eines mit Säcken beladenen Wagens war mit weit ausgebreiteten Armen ein Mädchen von vielleicht sechzehn Jahren gebunden. Das Mädchen reichte mit den Zehen kaum zum Erdboden. Als sie herankamen, wurde ihr gerade das Hemd von den schmalen Schultern gerissen, worauf die Gefesselte mit Augenrollen und einer dummen Mischung von Kichern und Weinen reagierte.
Gleich nebenan war ein Feuer angezündet worden. Jemand fachte ordentlich die Kohlen an, ein anderer nahm mit einer Zange Hufeisen und legte sie sorgfältig in die Hitze. Über der ganzen Versammlung klang das aufgeregte Geschrei des Priesters. »Boshafte Zauberin! Gottloses Weib! Gestehe die Wahrheit! Ha, schaut sie nur an, Leute, sie hat sich mit irgendeinem Zaubertrank betrunken! Schaut sie an! Die Zauberei steht ihr ins Gesicht geschrieben!«
Der Priester war dünn, sein Gesicht trocken und dunkel wie ein Räucherfisch. Das schwarze Gewand hing an ihm wie an einem Pfahl. Am Halse glitzerte ein heiliges Symbol - Geralt konnte nicht erkennen, welcher Gottheit, er kannte sich zudem in derlei Dingen nicht aus. Das Pantheon, das in letzter Zeit rasch angewachsen war, kümmerte ihn wenig. Der Priester gehörte jedoch zweifellos zu einer von den neuen Sekten. Die älteren befassten sich mit nützlicheren Dingen, als Mädchen zu fangen, sie an Wagen zu binden und eine abergläubische Menge gegen sie aufzuhetzen.
»Von Anbeginn der Zeiten an ist die Frau das Gefäß allen Übels! Ein Werkzeug des Chaos, eine Komplizin in der Verschwörung gegen die Welt und das Menschengeschlecht! Die Frau wird allein von Fleischeslust regiert! Darum dient sie den Dämonen so bereitwillig, damit sie ihr unersättliches Gelüst und ihre widernatürlichen Wünsche befriedigen kann!«
»Gleich werden wir mehr über Frauen erfahren«, murmelte Regis. »Das ist eine Phobie in reiner, klinischer Form. Der heiligmäßige Mann muss des öfteren von einer Vagina dentata träumen.«
»Ich wette meinen Kopf, dass es schlimmer ist«, erwiderte Rittersporn, ebenfalls halblaut. »Er träumt sogar im Wachen unablässig von einer gewöhnlichen, ohne Zähne. Und der Same ist ihm zu Kopfe gestiegen.«
»Und das zurückgebliebene Mädchen wird dafür bezahlen.«
»Wenn sich nicht jemand findet«, knurrte Milva, »der diesem schwarzen Dummkopf Einhalt gebietet.«
Rittersporn schaute den Hexer vielsagend und hoffnungsvoll an, doch Geralt wich dem Blick aus.
»Wovon, wenn nicht von Weiberzauber, kommen denn unsere gegenwärtige Not und unser Unglück?«, schrie der Priester weiter. »Niemand anders als die Zauberinnen hat ja die Könige auf der Insel Thanedd verraten, das Attentat auf den König von Redanien ausgeheckt! Niemand anders als die Elfenhexe von Dol Blathanna schickt ja die Eichhörnchen gegen uns aus! Jetzt seht ihr, zu welchem Unheil es geführt hat, sich mit den Zauberinnen einzulassen! Ihre abscheulichen Praktiken zu dulden! Die Augen zu verschließen vor ihrer Willkür, ihrem dreisten Hochmut, ihrem Reichtum! Und wer ist daran schuld? Die Könige! Die Herrscher haben sich in ihrer Überhebung von den Göttern losgesagt, haben die Priester abgeschoben, ihnen ihre Ämter und Ratssitze weggenommen, die widerwärtigen Zauberinnen aber haben sie mit Ehren und mit Gold überhäuft! Und das haben sie jetzt davon!«
»Aha! Da liegt der Vampir begraben«, sagte Rittersporn. »Du hast dich geirrt, Regis. Hier geht es um Politik, nicht um die Vagina.«
»Und um Geld«, fügte Zoltan Chivay hinzu.
»Wahrlich«, heulte der Priester, »ich sage euch, ehe wir uns zum Kampf gegen Nilfgaard stellen, wollen wir erst unser eigenes Haus von diesen Gräueln befreien! Wir wollen dieses Geschwür mit glühendem Eisen ausbrennen! Das Haus mit einer Feuertaufe reinigen! Eine, die Zauberei treibt, wollen wir nicht leben lassen!«
»Nicht leben lassen! Auf den Scheiterhaufen mit ihr!«
Das am Wagen festgebundene Mädchen lachte hysterisch, verdrehte die Augen.
»Moment, Moment, immer mit der Ruhe«, ließ sich ein finster dreinblickender Dörfler von riesenhaftem Wuchs vernehmen, der bis dahin geschwiegen hatte und um den sich eine kleine Gruppe von ebenso schweigsamen Männern und ein paar mürrischen Frauen versammelt hatte. »Bis jetzt haben wir bloß Geschrei gehört. Schreien kann jeder, sogar 'ne Krähe. Von Euch, einem heiligen Mann, erwarte ich mir mehr Achtung als wie von 'ner Krähe.«
»Opponiert Ihr gegen meine Worte, Vorsteher Laabs? Die Worte eines
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