Feuertaufe
mobile.«
Als sie zu dem lärmenden und stinkenden Lager kamen, zwischen Lagerfeuer, Wagen und Laubhütten traten, wurden sie sofort zum Mittelpunkt des Interesses aller hier versammelten Flüchtlinge, von denen es gut zweihundert gab, vielleicht sogar mehr. Das Interesse nahm rasch zu, auf eine Weise, dass es kaum zu glauben war - plötzlich schrie jemand, plötzlich heulte jemand auf, plötzlich warf sich jemand jemandem an den Hals, jemand begann wild zu lachen, jemand ebenso wild zu schluchzen. Es brach ein mächtiger Wirrwarr los. Aus der Kakophonie von Männer-, Frauen- und Kinderschreien war zunächst schwer zu schließen, worum es ging, doch endlich wurde es klar. Zwei der Frauen aus Kernow, die mit ihnen gekommen waren, hatten im Lager Mann und Bruder gefunden, von denen sie geglaubt hatten, sie seien tot oder im Strudel des Krieges spurlos verschwunden. Freude und Tränen nahmen kein Ende.
»Etwas derart Banales und Melodramatisches«, sagte Rittersporn überzeugt und zeigte auf die rührende Szene, »kann nur im wirklichen Leben geschehen. Wenn ich versuchen würde, auf diese Weise eine von meinen Balladen enden zu lassen, würde man mich gnadenlos auslachen.«
»Zweifellos«, bestätigte Zoltan. »Trotzdem freuen einen solche Banalitäten. Es ist einem leichter ums Herz, wenn das Schicksal jemandem etwas schenkt, statt etwas wegzunehmen. Na, die Weiber sind wir jetzt los. Haben sie mitgeschleppt, und jetzt sind sie da. Kommt, hier gibt es nichts herumzustehen.«
Der Hexer verspürte einen Augenblick lang Lust, vorzuschlagen, mit dem Weggehen noch etwas zu warten, denn er rechnete damit, dass wenigstens eine der Frauen es für angebracht halten würde, dem Zwerg Dank zu sagen. Er überlegte es sich jedoch anders, denn nichts deutete darauf hin. Die von dem Wiedersehen freudig erregten Frauen nahmen ihn überhaupt nicht mehr wahr.
»Worauf wartest du?« Zoltan warf ihm einen raschen Blick zu. »Dass sie dich zum Dank mit Blumen überhäufen? Dir Honig ums Maul schmieren? Verschwinden wir von hier, hier haben wir nichts zu tun.« »Du hast zweifellos recht.«
Sie kamen nicht weit. Es hielt sie ein piepsiges Stimmchen zurück. Das sommersprossige Mädchen mit den kleinen Zöpfen holte sie ein. Es war außer Atem, in der Hand aber hielt es einen großen Blumenstrauß.
»Vielen Dank«, piepste es, »dass ihr auf mich und das Brüderchen aufgepasst habt, und auf die Mama. Dass ihr gut zu uns wart und überhaupt. Ich habe Blumen für euch gepflückt.«
»Danke«, sagte Zoltan Chivay.
»Ihr seid gut«, sagte das Mädchen und nahm das Ende eines Zöpfchens in den Mund. »Ich glaube überhaupt nicht, was die Tante sagt. Ihr seid gar keine ekelhaften unterirdischen Wichte. Du bist kein grauhaariger Abirrling aus der Hölle, und du, Onkel Rittersporn, bist überhaupt kein lärmender Truthahn. Das ist nicht wahr, was die Tante gesagt hat. Und du, Tante Maria, bist keine Vettel mit einem Bogen, du bist die Tante Maria, und ich hab dich gern. Für dich habe ich die hübschesten Blumen gepflückt.«
»Danke«, sagte Milva mit ein wenig veränderter Stimme.
»Wir bedanken uns alle«, wiederholte Zoltan. »He, Percival, du ekelhafter unterirdischer Wicht, gib doch dem Kind zum Abschied irgendein Andenken. Hast du nicht in einer von deinen Taschen einen überflüssigen Stein?«
»Hab ich. Nimm, Fräuleinchen. Das ist ein Beryllium-Tonerde-Silikat, man nennt es volkstümlich auch ...«
»Smaragd«, vollendete der Zwerg. »Verwirr das Kind nicht, sie merkt sich's sowieso nicht.«
»Aber der ist hübsch! So schön grün! Vielen, vielen Dank!«
»Viel Freude damit.«
»Und verlier ihn nicht«, murmelte Rittersporn. »Denn das Steinchen ist so viel wert wie ein kleiner Bauernhof.«
»Was soll's.« Zoltan befestigte an seinem Kaipak die Kornblumen, die er von dem Mädchen erhalten hatte. »Ein Stein wie jeder andere auch, was gibt's da zu reden. Mach's gut, Mädchen. Und wir gehn jetzt, setzen uns irgendwo an die Furt, warten auf Bruys, Yazon Varda und die anderen. Sie müssen jeden Augenblick eintreffen. Seltsam, dass sie sich so lange nicht blicken lassen. Verdammt, ich hab vergessen, ihnen die Karten wegzunehmen. Ich wette, die sitzen irgendwo und spielen Schlagwetter!«
»Die Pferde müssen gefüttert werden«, sagte Milva. »Und getränkt. Lasst uns zum Fluss gehen.«
»Vielleicht findet sich für uns auch was Warmes zu futtern«, fügte Rittersporn hinzu. »Percival, schau dich im Lager um und mach
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