Feuerteufel: Roman (German Edition)
fest. Dann zwang sie sich, den Namen noch einmal zu lesen und den Druck auf der Brust zu fühlen, den Schwindel, aber dennoch sitzen zu bleiben.
Als sie die Plastiktöpfe aufgestapelt hatte und sie eben wieder in die Plastiktüte tun wollte, sah sie eine bekannte Gestalt auf einem der Wege weiter unten. Barbro.
Magdalena kauerte sich hinter den Grabstein, ohne recht zu wissen warum. Es war etwas mit Barbros Gesichtsausdruck. Verschlossen. Abweisend. Die Kollegin blieb vor einem der Gräber ein Stück entfernt stehen und ging in die Knie. Magdalena sah, wie sie ein paar Blütenblätter entfernte und mit der Hand über den Stein strich.
Magdalena blieb ganz still sitzen, bis Barbro aufstand und wieder den Hügel hinunterging. Nachdem sie die Plastiktüte in den Müll geworfen, den Spaten zurückgehängt und die neuen Pflanzen ordentlich angegossen hatte, ging sie zu dem Grab, an dem Barbro gewesen war. Der Stein war schlicht, die Blumen prächtig. Kein braunes Blättchen, nicht das kleinste Unkraut. Sture Holmgren. Ingemar Holmgren. Zwei Jahre dazwischen.
Magdalena sah auf die Uhr. Jetzt musste sie sich aber beeilen.
»Ich komme wieder, Mama«, flüsterte sie dem Stein da oben zu. »Bald.«
»Wie war’s in der Schule?«, fragte Magdalena, während sie ein Schneidebrett und ein Messer herausholte.
»Gut«, antwortete Nils einsilbig.
Zu kurz?
Mit großer Konzentration begann er, die Fleischwurst, die sie vor ihn hingelegt hatte, in Scheiben zu schneiden.
»Was habt ihr gemacht?«
Nicht fragen, mit wem er gespielt hat. Keine große Sache draus machen.
»Wir haben mit dem Mathebuch gearbeitet und so«, erwiderte Nils und sägte sich geduldig durch die Wurst.
»Hat es Spaß gemacht?«
»Ja, total. Ich hab drei Seiten geschafft. Du, Mama«, sagte Nils und hielt in der Arbeit inne. »Was ist eigentlich ein Wächter der Moral?«
»Tja, wie soll ich das erklären«, begann Magdalena, »das ist jemand, der will, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Warum fragst du das?«
Sie stellte die Pfanne auf den Herd und drehte die Platte auf.
»Oskar sagt, dass du das bist.«
»Dass ich das bin?«
»Ja. Aber das ist ja gut«, meinte Nils und wandte sich wieder der Wurst zu.
Magdalena tat einen Klecks Margarine in die Pfanne und sah zu, wie sie in der Hitze durchsichtig wurde.
Der Wächter der Moral, gute Güte. Offensichtlich war sie das.
»Nils«, sagte sie, »wenn in der Schule jemand blöd zu dir ist, musst du das sagen.«
»Ja.«
»Und wenn jemand zu schlagen anfängt, dann darfst du nicht zurückhauen oder Steine werfen. Dann ist es besser, einem Erwachsenen Bescheid zu sagen und sich so Hilfe zu holen.«
Nils antwortete nicht.
»Denk dran. Es ist niemals okay zu schlagen.«
Am liebsten würde ich sagen, dass es durchaus okay ist. Mach sie einfach platt.
17
Kjell-Ove sah das Blumenmeer schon von Weitem. Obwohl das Grab noch keinen Stein hatte, war ihm sofort klar, dass er hier richtig war.
Ein Herz aus roten Rosen. Geliebte Mama. Ein großer rosafarbener Kranz. Danke für alles! Die Arbeitskollegen. Und dann sein kleiner gelber.
Er sah sich um, ging in die Hocke und strich leicht über die Erde.
»Jetzt bin ich hier, Mirjam. Ich bin doch noch gekommen.«
Vorsichtig legte er das Seidenband zurecht. Ruhe in Frieden. War ihr das wirklich vergönnt?
»Cecilia hat mich verlassen«, sagte er, ohne zu wissen, warum. »Jetzt ist die Bahn frei für dich und mich.«
Ein kurzes Schnauben, dann kamen die Tränen.
»Du fehlst mir, Mirjam. Deine sanften Hände, wie du immer ein Lachen für mich hattest.«
Er wischte sich die Tränen ab.
»Ich hoffe, dass es dir gut geht, wo du jetzt bist. Und ich hoffe, dass du mir verzeihen kannst, dass ich niemals gewagt habe, dich zu wählen.«
Ein letztes Streicheln über die frisch geharkte Erde. Dann stand er auf und ging.
Magdalena blinzelte vor Müdigkeit, als sie den Stapel Zeitungen und Post durchging. Wie sollte sie ein Baby versorgen, wenn sie schon völlig fertig war, weil sie nachts ein paarmal aufs Klo musste?
»Soll ich dir auch einen Tee einschenken?«, fragte Barbro aus der Teeküche.
»Ja, gern«, erwiderte Magdalena.
Sie rollte den Stuhl zum Hängeordner und legte die Einladung zum Pressetermin der Bibliothek über die Abendveranstaltungen im kommenden Herbst hinein. Dann schob sie den Finger in das nächste Kuvert, das an sie selbst adressiert war.
»Bitte schön«, sagte Barbro und stellte die Teetasse auf den Schreibtisch.
»Danke, das ist nett
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