Feuertochter: Roman (German Edition)
retten können. Sie trat ans Fenster und sah, wie Simon sich in den Sattel schwang und den Hof der Herberge verließ.
Im ersten Augenblick wollte sie den Wirt rufen und ihm sagen, dass Simon dabei war, die Zeche zu prellen. Sie griff schon zur Türklinke, als ihr einfiel, dass der Mann sich gewiss an ihr schadlos halten würde. Was hatte Simon gesagt? Der Wirt würde sie ins Schuldgefängnis sperren lassen? Oder noch schlimmer – sie würde die Schuld als Hure abarbeiten müssen.
»Simon ist der Sohn eines räudigen Wolfes und einer noch räudigeren Hündin«, zischte sie voller Wut. Aber ihr war klar, dass sie sich nicht von ihrem Zorn beherrschen lassen durfte. Sobald der Wirt merkte, welch übles Spiel Simon getrieben hatte, würde er sie in einer Kammer einsperren, um an sein Geld zu kommen. Daher durfte niemand erfahren, dass ihr Mann nicht zurückkehren würde.
Es fiel Ciara schwer, die bitteren Gedanken, die sich in ihr ballten, niederzuringen und eine gleichmütige Miene aufzusetzen. Sie hob die Ledertasche auf, aus der Simon die Urkunde gezogen hatte, und steckte sie wieder hinein. Dann schob sie die Mappe unter ihr Kleid und befestigte sie mit einem dicken Faden. Als das geschehen war, ging sie nach unten und sprach die erste Magd an, die ihr entgegenkam.
»Ich war unvorsichtig und habe etwas in den Kamin fallen lassen. Um es wieder herauszuholen, musste ich ins Feuer greifen und habe mir die Hand verbrannt. Kannst du mir Schweineschmalz bringen oder Mehl sowie ein Stück Tuch, damit ich die Hand verbinden kann?«
»Gerne, Mylady!«, antwortete die Magd und eilte davon.
Ciara kehrte in ihre Kammer zurück, setzte sich ans Fenster und wartete. Dabei rasten ihre Gedanken. Nicht Aithil, sondern Simon hatte ihren Bruder verraten und an Haresgill ausgeliefert. Nicht einmal den eigenen Vetter hatte er dabei verschont. Anschließend hatte er ihre Trauer ausgenützt, um sie nach Strich und Faden zu belügen, und sie so dazu gebracht, ihn zu heiraten.
»Halt!«, rief sie sich in Erinnerung. Sie hatte Simon aus freiem Willen geehelicht, um ihr Kind nicht als Bastard aufziehen zu müssen. Den Beweis für die gültige Ehe hatte sie immer noch. Doch was half ihr das in diesem stinkenden London? Sie hatte kein Geld und kannte niemanden, der ihr helfen würde, eine sichere Bleibe zu finden.
Die eintretende Magd unterbrach Ciaras Überlegungen. »Hier bin ich, Mylady«, sagte sie und legte ein sauberes Stück Linnen, ein Salbentöpfchen und eine Schere aufs Bett. Anschließend verarztete sie die verletzte Hand so geschickt, dass es Ciara leidtat, ihr nur mit Worten danken zu können.
»Der gnädige Herr ist wohl noch einmal ausgeritten?«, fragte die Magd, als sie fertig war.
Es gelang Ciara, ein enttäuschtes Lächeln aufzusetzen. »Das ist er! Leider sagt er mir nie, wohin er reitet und wie lange er ausbleibt. Ich muss nun wach bleiben, bis er zurückkommt.«
Damit, sagte sie sich, hatte sie zumindest bis zum Abend Zeit gewonnen. Viel länger durfte sie nicht in diesem Gasthaus bleiben. Die große Frage war nun, wohin sie sich wenden sollte, aber die vermochte sie nicht zu beantworten.
Erst als die Magd ihre Sachen zusammenräumte, bemerkte Ciara, dass der Dolch, den sie nach Simon geworfen hatte, noch immer im Türblatt steckte. Rasch ging sie hin und zog die Waffe vorsichtig heraus. Sie würde sie brauchen, wenn sie auf sich gestellt in dieser Stadt überleben wollte.
Bei dem Gedanken überflog sie das Gepäck, das Simon zurückgelassen hatte. Viel war es nicht, doch vielleicht konnte sie einige der Sachen verkaufen, um wenigstens ein paar Pennies in der Tasche zu haben. Sie wartete, bis die Magd gegangen war, und bereitete dann alles vor, um möglichst unauffällig verschwinden zu können. Der Gedanke, dass sie das nicht mit hungrigem Magen tun sollte, brachte sie dazu, ihr Schultertuch umzulegen und nach unten zu gehen, um sich für ihre Flucht zu stärken.
Nicht lange, da steckte der Wirt den Kopf in das Extrazimmer, in dem sie für sich hatte auftischen lassen. »Wohl bekomm’s, Mylady! Ich hoffe, es mundet Euch.«
Selbst wenn Ciara Sägespäne gegessen hätte, wäre ihr der Unterschied nicht aufgefallen. Sie lächelte jedoch. »Es schmeckt ausgezeichnet! Seid Ihr so gut und lasst mir noch einen Becher Wein bringen?«
»Selbstverständlich, Mylady! Erlaubt mir nur eine Frage: Wann wird der gnädige Herr wieder hier sein? Es ist so, dass ich nach ein paar Tagen einen Abschlag auf die Kosten von
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