Feuertochter: Roman (German Edition)
Unterkunft und Verpflegung zu verlangen pflege, und den ist Ihr Gemahl mir bis jetzt schuldig geblieben.«
»Das geschah gewiss nicht mit Absicht«, antwortete Ciara mit aller Beherrschung, die sie aufzubringen vermochte. »Ich werde meinen Gatten daran erinnern, sowie er zurückkommt.«
Sie nickte dem Wirt noch kurz zu und aß dann scheinbar ungerührt weiter. In ihr tobte es jedoch. Wie es aussah, war Simons Infamie noch größer, als sie gedacht hatte. Er musste gewusst haben, dass der Wirt an diesem Tag Geld von ihm verlangen würde. Ihr Wunsch, ihm zu folgen und ihn zur Rechenschaft zu ziehen, wurde beinahe übermächtig. Doch sie wusste selbst, dass ihr dafür die Mittel fehlten. Selbst wenn sie sich aufs Betteln verlegte, würde sie zu Fuß hinter ihm herlaufen müssen und stünde spätestens am Meeresufer vor der Frage, wovon sie die Überfahrt bezahlen sollte.
Ihre freundliche Antwort beruhigte den Wirt. Er verließ das Zimmer, und kurz darauf kam die Magd, die Ciaras Hand verbunden hatte, mit einem frischen Becher Wein herein. Ciara hätte die Frau am liebsten nach einer Möglichkeit gefragt, wo sie ihren wenigen Besitz verkaufen konnte. Aber wenn sie das tat, würde der Wirt davon erfahren und ihr das erlöste Geld für Unterkunft und Essen abnehmen.
Daher aß sie langsam weiter, trank den Wein und beweinte in Gedanken das Schicksal, das sie in die Fremde verschlagen und so grausam behandelt hatte.
12.
A uch wenn der Wirt Engländer war, so tat es Ciara doch leid, ihn betrügen zu müssen. Aber dieses Gefühl durfte sie nicht daran hindern, ihre Pläne auszuführen. Zwar hätte sie gerne die eine Nacht noch in der Herberge verbracht, um einen vollen Tag zu haben, sich in London eine neue Bleibe zu suchen. Aber es würde dem Wirt auffallen, dass ihr Ehemann am Abend nicht zurückgekehrt war, und dann ließe er sie am nächsten Morgen bestimmt nicht gehen.
Daher wartete sie, bis es in der beginnenden Dunkelheit im Zimmer düster wurde und die lauten Stimmen der Zecher, die sich in der Schenke Ale und Wein schmecken ließen, zu ihr heraufdrangen. Als sie annahm, der Wirt und sein Gesinde wären zu beschäftigt, um auf eine einzelne Person zu achten, verließ sie ihr Zimmer und stieg leise nach unten.
Sie durfte die Herberge nicht durch die Vordertür verlassen, weil man sie von der Gaststube aus sehen würde. Deswegen benützte sie den Ausgang über den Hof, wartete so lange, bis der Knecht, der dort arbeitete, in den Stall ging, und eilte, so schnell sie konnte, zum Hoftor. Zu ihrem Glück war dieses nur angelehnt, und sie vermochte hindurchzuschlüpfen. Drei Herzschläge später befand sie sich auf der Straße und reihte sich in das Gewirr der Passanten ein.
Ciara wusste, dass sie dieses Stadtviertel verlassen musste, und ließ sich zunächst einfach treiben. Irgendwann roch die Luft feucht, und sie ahnte, dass sie in die Nähe der Themse geraten war. Direkt am Fluss war die Bebauung aus Angst vor Hochwasser geringer als in anderen Teilen der Stadt, und sie fand in der einbrechenden Dunkelheit ein Gebüsch, das ihr für die Nacht Deckung zu bieten schien. Morgen, sagte sie sich, würde sie einen Händler suchen und den Inhalt ihres Bündels verkaufen. Mit diesem Gedanken wickelte sie sich in ihren Mantel, kauerte sich zusammen und betete, dass es in der Nacht nicht regnete.
Der Schlaf blieb ihr jedoch fern. In ihren Gedanken erlebte sie immer wieder jene entsetzlichen Augenblicke, in denen der Turm von Haresgill gestürmt und schließlich die Spitze abgesprengt worden war. Damals hatte sie sowohl ihren Geliebten wie ihren Bruder verloren – und das durch Simons Schuld.
»Simon von Kirchberg, wo auch immer du sein magst: Möge die Strafe des Himmels dich bald ereilen!«, flüsterte sie voller Hass und umklammerte den Griff ihres Dolches mit der rechten Hand. In dieser Pose dämmerte sie schließlich ein.
Ciara erwachte, als etwas an ihrem Kleid zerrte. »Was soll das?«, fauchte sie und stieß mit dem Fuß zu. Zwar traf sie etwas, hörte dann aber ein zorniges Knurren. Ein Hund, durchfuhr es sie. Gleichzeitig schnappte das Tier nach ihrem Bein, doch seine Fänge drangen nicht durch den Stoff ihres Kleides. Rasch fasste sie den Dolch fester, wälzte sich herum und stieß zu. Wie gut sie traf, konnte sie in der Nacht nicht sehen. Das Tier stieß einen schmerzerfüllten Laut aus und verschwand hinkend in der Dunkelheit.
»Das ist gerade noch gutgegangen«, sagte Ciara sich und bedauerte, dass
Weitere Kostenlose Bücher