Feuertochter: Roman (German Edition)
erregten im Dorf weniger Aufsehen als Simon, der etliche Wochen zuvor eingetroffen war. Die Leute hielten sie ihrer abgerissenen Kleidung wegen für fahrendes Volk und achteten darauf, dass ihre Haustüren verschlossen waren, zuckten aber mit den Schultern, als die Gruppe sich dem Schloss zuwandte.
Am Tor der Einfriedung angekommen, fand Ferdinand es verschlossen. Der alte Mann, den sein Onkel als Pförtner angestellt hatte, eilte aus seinem Haus und begann zu schimpfen.
»Verschwindet, Gesindel! Hier ist Betteln und Hausieren verboten!« Dabei schwenkte er drohend eine Pistole, die nicht nur als Waffe diente, sondern mit ihrem Klang auch die Bewohner des Schlosses alarmieren sollte, wenn sich hier etwas Ungewöhnliches tat.
»He, Hans! Kennst du mich nicht mehr?«, antwortete Ferdinand lachend.
Den Pförtner riss es herum. Ungläubig starrte er Ferdinand an und schüttelte mehrmals den Kopf. »Das ist unmöglich! Ihr seid doch tot!«
»Aber Hans! Wie kommst du denn darauf?«, mischte Hufeisen sich ein.
»Cyriakus! Ich … Herr Simon sagte doch, ihr wärt alle in Irland umgekommen!« Der Pförtner schlug das Kreuz und wagte sich langsam näher. »Ihr lebt wirklich?«
»Hans, eine dümmere Frage habe ich noch nie gehört. Wann ist denn der letzte Tote zu dir gekommen und hat sich mit dir unterhalten?« Ferdinand lachte und forderte den Mann auf, endlich das Tor zu öffnen.
Zögernd öffnete Hans es und wartete, bis Ferdinand und die anderen eingetreten waren.
»Darf ich Euch berühren, Herr?«, fragte er, weil er immer noch nicht ganz überzeugt davon war, dass er einen lebenden Menschen vor sich hatte und keinen Geist, der ihn narren wollte.
»Meinetwegen!« Ferdinand blieb vor ihm stehen und ließ zu, dass Hans vorsichtig die Hand ausstreckte und sein Gesicht abtastete.
»Nun? Zufrieden?«, fragte er dann.
Der alte Mann grinste mit einem Mal übers ganze Gesicht. »Und ob ich zufrieden bin! Ihr wisst gar nicht, wie sehr!«
Dann riss er seine Pistole hoch und feuerte einen Schuss in die Wolken ab. »Das müssen die anderen auch erfahren, vor allem die Herrschaft, die so viel Leid erlitten hat, und auch Herr Simon. Der wird sich freuen!«
Das Letzte klang so boshaft, dass Ferdinand sich fragte, was auf Kirchberg vorgefallen sein mochte. Da Hans Alarm gegeben hatte, beschloss er zu warten, bis vom Schloss jemand kam. Er wandte sich wieder an den alten Mann.
»Hast du etwas zu trinken für die Frauen, Hans? Wir sind heute lange gewandert, ohne einzukehren, und …«
»… da habt Ihr alle Durst! Nur einen Augenblick, Herr Ferdinand. Wenn dieser Lümmel da«, Hans’ Blick streifte Hufeisen, »mir hilft, erhaltet Ihr gleich einen kühlen Trunk.«
»Für ein gutes Bier verzeihe ich dir sogar den Lümmel«, lachte Hufeisen und folgte Hans in das Häuschen.
Währenddessen zupfte Ciara Ferdinand am Ärmel. »Der Mann hat sich so seltsam benommen. Weshalb?«
»Er hat geglaubt, Hufeisen und ich seien tot. Simon muss hier gewesen sein und es erzählt haben.«
»Möge er bald seiner eigenen Bean Sidhe begegnen und von ihr den Zeitpunkt seines nahen Todes erfahren«, stieß Ciara zornig hervor.
Ferdinand wollte etwas darauf antworten, doch da kamen Hans und Hufeisen mit den Getränken zurück. Jeder erhielt einen großen Becher mit Bier und leerte ihn durstig.
Bríd trank mit verzogenem Gesicht. »Unser Met schmeckt mir besser.«
»Der Durst treibt’s rein«, meinte Hufeisen lachend und füllte seinen Becher ein zweites Mal.
Der Pförtner stieß mit ihm an und grinste übers ganze Gesicht. »Ich bin so froh, dass Ihr zurückgekommen seid, Herr Ferdinand. Wie werden sich Euer Oheim und Eure Tante erst freuen! Sie haben um Euch nicht minder getrauert als um ihren eigenen Sohn.«
»Was ist mit Andreas?«, fragte Ferdinand erschrocken.
»Tot! Er starb an einer Krankheit und seine Gemahlin und die Kinder mit ihm.«
»Das darf nicht wahr sein!« Ferdinand erschien der herrliche Sonnentag auf einmal so düster wie vor einem Gewitter, und er spürte, dass ihm die Tränen kamen.
Ciara fasste seinen Arm. »Was ist mit dir?«
»Mein Vetter ist tot!«
»Simon?« Es klang hoffnungsvoll, doch Ferdinand schüttelte traurig den Kopf.
»Nein! Ich meine Andreas, den Sohn meines Oheims. Er war ein so starker, lebensfroher Mann! Mit ihm habe ich mich immer gut verstanden, obwohl er etliche Jahre älter war als ich.«
»Ja, das ist ein schreckliches Unglück für Kirchberg«, mischte Hans sich ein, nachdem Hufeisen
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