Feuertochter: Roman (German Edition)
können. »Bringt die Truhe mit meinen Sachen gleich in eine Kammer, damit ich mich umziehen kann«, befahl sie, kam damit aber bei Saraid nicht gut an.
»Das kommt überhaupt nicht in Frage! Du bist die Tochter der Ui’Corra und kannst weder deinen Bruder noch dessen Gäste in einem Kleid empfangen, das höchstens für eine Magd geeignet ist.«
»Aber wir wissen doch gar nicht, wann Oisin kommt«, wandte Ciara ein.
»Der Taoiseach hat uns hierhergerufen und wird gewiss nicht lange auf sich warten lassen.« Für Saraid war die Sache damit erledigt. Das Mädchen nahm nach ihrem Bruder den zweithöchsten Rang im Clan ein und hatte sich entsprechend zu verhalten.
Ciara ärgerte sich, dass sie auf einmal an Konventionen gebunden war, die es in dem alten Turm am Meer nicht gegeben hatte. Missgelaunt durchquerte sie den Burghof und wich dabei dem Gerümpel aus, das die Engländer hier verstreut hatten. Auf einmal entdeckte sie einen kleinen Flecken Grün in einer Ecke. Als sie näher kam und sich niederbeugte, sah sie ein kleines Büschel Klee dort wachsen. Das erschien ihr als gutes Omen für ihre Rückkehr.
4.
S araid sollte recht behalten. Noch am selben Nachmittag erreichte ein Reitertrupp das Tal und trabte auf die Burg zu. Über den Männern flatterten die Clanstandarten der Ui’Corra und der Ui’Néill lustig im Wind. Für Ciara war es ein denkwürdiger Augenblick, denn sie erinnerte sich nur an drei Begegnungen mit ihrem Bruder. Das erste Mal war er drei Jahre nach ihrer Flucht in dem alten Gemäuer am Meer aufgetaucht. Bis zum zweiten Mal vergingen gut sechs Jahre, in denen Oisin auf dem Kontinent dem König der Franzosen als Söldner diente, und weitere vier Jahre danach suchte er die alte Burg in Tir Chonaill noch einmal auf. Damals war er mit einem Freund aus Deutschland nach Irland gekommen, um zu sehen, ob die Zeit für einen Aufstand reif war.
Zu jener Zeit hatte Ciara sich weniger für die Kriegspläne ihres Bruders interessiert als für den fremden Gast. Simon von Kirchberg war ein junger, gutaussehender Mann gewesen, der immer fröhlich war und anregend zu erzählen wusste. Schon am ersten Abend hatte sie sich in ihn verliebt.
Nun ertappte sie sich dabei, dass sie hoffte, Simon von Kirchberg würde ihren Bruder begleiten. Doch als sie aus einem der oberen Fenster blickte, entdeckte sie nur Iren. Einige waren Clanangehörige, die Oisin nach Frankreich gefolgt waren, und andere trugen das Zeichen der Ui’Néill an ihren Kleidern. Darunter war auch der O’Néill selbst. Zwar hatte Ciara Aodh Mór O’Néill nie zuvor gesehen, doch so wie dieser Reiter saß nur ein Mann zu Pferd, der sich seiner Macht bewusst war. Sogar im Sattel wirkte er groß und breit. Sein Alter vermochte sie nicht zu schätzen, denn sein Gesicht verschwand unter einem Bart, der ihm bis auf die Brust reichte. Ihr Bruder hatte sich nur einen kurzen Kinnbart stehen lassen, und auf seinem Kopf saß ein in ihren Augen lächerlicher, randloser Hut nach englischer Mode.
»Was machst du denn noch hier? Du musst hinuntergehen und die Gäste begrüßen! Versuch wenigstens, ein freundliches Gesicht zu machen, wenn du vor dem O’Néill stehst. Er ist es zwar nicht wert, aber wir sind auf ihn angewiesen.« Saraid war zu ihr getreten und scheuchte sie nun resolut aus dem Zimmer.
»Können wir unseren Gästen ein ausreichendes Mahl vorsetzen?«, fragte Ciara.
»Leicht wird es nicht werden, denn die Engländer haben vor ihrem Abzug in die Tonne mit dem Mehl gepinkelt und auch andere Sachen verunreinigt. Aber ich werde schon etwas finden, das ich auf den Tisch bringen kann.«
Saraid nahm ihre Aufgaben als Wirtschafterin der Burg ernst, und auch sonst lag ihr das Wohl des Clans, insbesondere das ihrer jüngeren Cousine, am Herzen. Als Schwester des Clanherrn hätte Ciara längst verheiratet sein müssen, doch diese Pflicht hatte Oisin O’Corra bisher vernachlässigt. Nun hoffte Saraid, dass es unter seinen Begleitern einen jungen Mann gab, der für Ciara als Ehemann in Frage kam.
Während Saraid die Zubereitung des Festmahls zu Ehren des Herrn dieses Landstrichs überwachte, trat Ciara auf den Burghof und stand nun ihrem Bruder und dessen Gästen gegenüber.
Oisin O’Corra, ein schlanker Mann mit ernster Miene, musterte seine Schwester kritisch. »Du bist seit dem letzten Mal noch ein ganzes Stück gewachsen, Maighdean!«
Das war nicht unbedingt die Begrüßung, die er sich vorgenommen hatte, doch die Schönheit und die
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