Feuertochter: Roman (German Edition)
den größeren Anwesen zu verstecken schienen. Rauch, der aus den Dachöffnungen mehrerer Katen stieg, zeigte an, dass sie bewohnt waren.
Sie werden froh sein, der Herrschaft der Engländer und deren ketzerischen Priestern entkommen zu sein, dachte Ciara zufrieden, während sie sich umdrehte, um nach ihren Leuten zu sehen.
Diese verließen gerade den Wald, dessen dicht stehende Bäume zusammen mit dem üppigen Unterholz verhinderten, dass größere Scharen ihn geschlossen durchqueren konnten. Das erleichterte es den Ui’Corra, die einzige Straße, die durch das Tal führte, mit wenig Aufwand zu verteidigen. Allerdings schützte der Wald sie nicht vor Verrätern. Solche waren schuld daran gewesen, dass der Clan damals den Kampf gegen die Engländer und ihre irischen Verbündeten und damit seine Heimat verloren hatte.
Wieder schob Ciara die traurigen Gedanken von sich. Sie wollte den warmen, sonnigen Tag genießen, an dem sie endlich in ihr Tal und zu den Wurzeln ihrer Familie zurückgekehrt war.
Noch während sie sich diesem wunderbaren Gefühl hingab, kam Saraid ebenfalls barfuß und mit gerafftem Rock auf sie zu. In der Hand hielt sie einen langen Stecken, der gleichermaßen als Waffe gegen wilde Tiere wie gegen unerwartete Gegner diente. Nun blieb sie vor Ciara stehen. »Es war sehr unvernünftig von dir, so weit vorauszueilen, Tochter der Ui’Corra. Hätte dieser elende Richard Haresgill ein paar seiner Schurken hier zurückgelassen, wäre ihm mit dir eine wertvolle Geisel in die Hände gefallen. Oder die Kerle hätten dich direkt umgebracht!«
Ciara senkte schuldbewusst den Kopf. »Ich wollte dir keine Sorgen bereiten, Saraid. Aber da Oisin uns mitteilen ließ, Haresgill habe die Burg und das Tal mitsamt seinen Männern verlassen, war ich sicher, dass mir nichts zustoßen könnte.«
»Traue niemals einem Engländer! Dieses Volk ist zu Betrug und Hinterlist geboren«, antwortete Saraid Ní Corra, um ihrer Cousine den Kopf zurechtzusetzen. »Daher wirst du jetzt bei uns bleiben, während Buirre mit zwei Männern vorausgeht und nachsieht, ob dieses Geschmeiß wirklich verschwunden ist.«
Sie drehte sich um und gab ihrem Ehemann einen Wink. Dieser nickte und lief von zwei Gefährten gefolgt in das Tal hinein.
»Man kann nie vorsichtig genug sein«, erklärte sie Ciara. »Etwas anderes wäre es, wenn der Taoiseach bereits eingetroffen wäre und das Tal gesichert hätte.«
Saraid nannte Ciaras Bruder meist den Taoiseach, um zu betonen, was für eine bedeutende Person er sei. Auch was Ciara betraf, achtete sie streng darauf, dass diese sich wie die Schwester des Clanführers benahm.
»Wir Ui’Corra mögen arm sein, aber wir haben unseren Stolz«, hatte Saraid gesagt, als sie den uralten, unbequemen Turm an der Küste von Tir Chonaill verlassen hatten, in der seit ihrer Flucht ihre Wohnstatt gewesen war. Jetzt hoffte sie genauso wie die anderen Angehörigen des Clans auf bessere Zeiten.
Trotzdem war sie nicht zufrieden. »Es ist ein Jammer, dass der Taoiseach sich einem Ui’Néill unterwerfen musste. Wer sind die schon? Doch auch nur Mörder und Brandstifter! Außerdem haben sie sich oft genug mit den Engländern eingelassen und sogar einen Titel von deren Königin erhalten. Aodh Mór O’Néill, der Taoiseach der Ui’Néill, lässt sich von den Engländern Hugh O’Neill, Earl of Tyrone nennen! Obwohl er sich endlich gegen das Gesindel gewandt hat, beharrt er auf diesem Titel.« Saraid spie voller Verachtung aus.
Nun vermochte auch Ciara den Schatten der Vergangenheit nicht mehr auszuweichen.
Doch sie kam nicht zu Wort, denn Saraid sprach mit zorniger Stimme weiter. »Ich habe nicht vergessen, dass Aodh Mór O’Néill diesem dreimal verfluchten Richard Haresgill geholfen hat, unseren Clan von hier zu vertreiben. Dafür hat dieser Verräter ein Drittel unseres Landes als Judaslohn erhalten! Nun muss der Taoiseach das Haupt vor ihm beugen, und du wirst knicksen, wenn du ihm begegnest – was hoffentlich nie geschehen wird! Ich traue keinem Ui’Néill, besonders ihrem Anführer nicht, seit Eachann O’Néill unseren Taoiseach Bran hinterrücks ermordet hat, als dieser ihn dabei erwischte, wie er seinen besten Zuchthengst stehlen wollte.«
»Aber Saraid! Das ist fast zweihundert Jahre her«, rief Ciara kopfschüttelnd.
»Die Ui’Néill waren damals üble Schurken, sind es jetzt noch und werden es für alle Zeit bleiben!«
Damit hatte Saraid ihr Urteil über den mächtigsten Clan in Uladh gefällt.
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