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Feuerwasser

Feuerwasser

Titel: Feuerwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Lascaux
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stehen kommen«, sagte Martin, »die Stelle liegt zwar noch etwas tief, sie ist aber am schmalsten. Außerdem könnte man in der Grön dann einen Teil des Pumpkraftwerks errichten.«
    »Der größere Teil läge in Merligen«, mutmaßte Heinrich.
    »Ja. Manchmal aber bauen sie die Anlage auch in den Berg hinein.«

    »Was den Fun-Park betrifft, sehe ich bisher keine sinnvolle Möglichkeit, und kilometerweit ins Tal hinein bringt man die Leute auch nicht«, wunderte sich Nicole.
    »Das ist eine Schnapsidee«, meinte Martin, »die sich schon aus finanziellen Gründen kaum umsetzen lässt.«
    »Es sei denn, du musst viel Schwarzgeld waschen«, sagte Heinrich.
    »Von einem ausländischen Großinvestor war aber bisher nicht die Rede«, gab Martin zu bedenken. »Der Stausee ist wirklich unsere größte Sorge, denn die EKW haben Geld sowie Argumente, denen schwer zu widersprechen ist. Schließlich ist das Justistal das einzige Tal in dieser Größe in den Schweizer Alpen, das so leicht zugänglich und gleichzeitig – außer während der Sömmerungszeit – nicht besiedelt ist.«
    Nach einigen weiteren flachen Kurven kamen sie zu einer Alp, die von drei Holzhütten gesäumt war, deren älteste auf 1836 datiert war. Die vielen eisernen Nägel und Beschläge waren durchgerostet und leuchteten in einem warmen Rotbraun, das sich mit der Feuchtigkeit ins Holz hineingefressen hatte.
    »Das sind drei der Spycher für die oberen Bergli. Hier werden die Käse vor dem Chästeilet gelagert, die jedes Jahr am ersten Freitag nach dem Eidgenössischen Buß- und Bettag im September stattfindet. Weiter oben seht ihr die beiden Hütten vom Spicherberg, wo zur gleichen Zeit ein eigener Chästeilet abgehalten wird.«
    Sie ließen die Walmdächer der Käsespeicher und ihre verwitterten Holzbalken hinter sich. Der Weg stieg nun wesentlich steiler an und führte sie durch einen Wald hoch. Am Ende öffnete sich dem Blick unvermittelt das Hochtal auf 1.300 Metern Höhe: eine von der Außenwelt her fast unzugängliche Idylle, ein Trog zwischen den Felsen, flache Weiden mit kräftigem Gras und saftigen Kräutern. Das alles sollte unter Wasser gesetzt werden oder einem voralpinen Fun-Park weichen? Unvorstellbar!
    »Da kannst du nachvollziehen, dass jemand einen Mord in Kauf nimmt, um dieses Juwel zu schützen«, sagte Nicole, beeindruckt von dem, was vor ihr lag und was sie zum ersten Mal sah.
    Heinrich Müller fiel zuerst die Ruhe auf. Nicht die Stille, denn das Tal war durchtränkt von der harmonischen Disharmonie des Kuhglockengeläuts. Unterschiedliche Tonhöhen wurden unterschiedlich laut vom gegenüberliegenden Hang zurückgeworfen. Mal herrschte Stille, dann ein einzelnes Geläut, dann stieg die schräge Melodie zu einer lauten Kakofonie an, wenn alle Glocken gleichzeitig bimmelten und läuteten und lärmten, als ob sich die Kühe zu einem Monsterkonzert verabredet hätten. Und doch war es eine Melodie, nur Eingeweihten bekannt: scharfe Rhythmuswechsel, langsame Harmonien, seufzender Text.
    »Grön, Spicherberg, Püfel oder Büffel, Flüelaui, Chlyns Mittelbergli, Rossschatte, Groß Mittelberg, Hintersberg oder Sigriswilerbergli, Oberhofner Berg, das sind die neun ›Berge‹, wie wir im Justistal die Alpen nennen, die alle vom Stausee überflutet oder vom Fun-Park missbraucht würden«, erklärte Martin Gerber, während sie auf dem flachen Weg an einigen davon vorbeigingen.
    »Eine jede ist eine Käse-Alp, jeder Senn gibt sein Bestes, trotzdem schmeckt jeder Laib ein wenig anders, je nachdem in welcher Phase der Alpsaison auf welcher Weide die Kühe gegrast haben.«
    Vor den beiden ging Nicole Himmel leichten Fußes dem Sigriswiler Bergli entgegen.
    Sie hat die längeren Beine, trägt weniger Gewicht, sie ist jünger und schöner als ich , dachte Heinrich Müller. Außerdem hat sie den besseren Feldstecher. Sie hat also alle Vorteile für sich.
    »Nicole«, keuchte Heinrich. »Ich habe letzthin ein Sagenbuch gekauft.«

    »Du? Ausgerechnet.« Sie lachte.
    »Ja, und da stand eine merkwürdige Sache drin.«
    »Was denn?«
    »Wenn man mit einer Frau auf einen Berg steigt, bringt es Glück, wenn man auf dem Gipfel Sex hat.«
    »Schau du bloß, dass du überhaupt zu Fuß auf einen Gipfel kommst, wenn du weiterhin derart keuchst«, sagte Nicole.
    Martin aber erkundigte sich: »Und, hat es geklappt?«

    Heinrich wand sich. »So oft war ich noch nicht mit einer Frau allein auf einem Gipfel. Aber wenn sie einen hier unten im Tal schon auslachen, stell

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