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Feuerwasser

Feuerwasser

Titel: Feuerwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Lascaux
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sie vom Großmeister Dracula zu einer Untoten gemacht werden kann und eine Gruft auf dem Friedhof zugewiesen bekommt, und sie gelangt erst zur ewigen Ruhe, nachdem sie vom eigenen Verlobten am Tag nach der geplanten Hochzeit mit einem Holzpflock gepfählt wird. Wer da heftigeren sexuellen Phantasien ausgesetzt war, ließ sich nicht mehr klären. Jedenfalls spielte die ätherische Isabelle Adjani 1979 die schönste Interpretation der Lucy in Wim Wenders Nosferatu – Phantom der Nacht.
    Nicole konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass sie in ihrem neuen Fall etwas übersehen hatte. Das Motiv der Morde um das Justistal lag tiefer als Gewinnsucht und Machtansprüche, es waren dämonischere Kräfte im Spiel, auch wenn diese keineswegs von übersinnlicher Natur waren. Sie musste mit Heinrich Müller darüber sprechen. Irgendwo würde sich der Kreis schließen.
    Nach einem letzten Schluck Wein las sie einen Satz, den ein früherer Leser von Gustav Renker markiert hatte: »Der Felsenzug der Schrattenfluh links, der Hohgant rechts. Es waren gewaltige Schenkel einer Riesenmutter, deren Schoß die junge Emme entsprang.«
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    1 Dokumentiert in: Edith Kammer: ›Schwarzes Gold‹

Donnerstag, 18. September 2008

    Er war frei von jeglicher Fantasie. Zwar hörte er gerne Geschichten von fernen Kontinenten, neu erforschten oder erfundenen Welten, aber eigene Vorstellungen in diese Richtung entwickelte er nicht, hatte er nie besessen, denn seine Eltern hatten dies nicht als Mangel empfunden. Im Gegenteil: Sie hatten ihn stets vor den Spielkameraden mit zu viel Erfindungsgeist gewarnt, vor den Lügnern im Angesicht des Herrn.
    Deshalb wusste er, dass das, was Simon Abderhalden getan hatte, nicht richtig war. Er hatte sie alle verkauft. Was wie eine harmlose Geschichte daherkam, war eine böse Lüge. Und dafür musste er bestraft werden.
    Deshalb hatte Andreas Kohler Vorkehrungen getroffen. Der Enzian, den er vor der Explosion bereits gebrannt hatte, war mit der Transportseilbahn hinuntergeschafft worden zu Sämu Wildberger. Der sollte ihn hüten. Hoffentlich soff er nicht zu viel davon, denn beim Literpreis von über 100 Franken war damit ein ganz schönes Geschäft zu machen. Kohler würde sich den Winter über einschränken müssen, wenn es ihm nicht bald gelänge, einen neuen Brennhafen und genügend Enzianwurzeln zu organisieren. Aber das war jetzt seine geringste Sorge.
    Eine kleine Flasche hatte Kohler mit dabei, half das Destillat doch bei allen Arten von Magenbeschwerden, von denen er seit ein paar Wochen ein Liedchen singen konnte. Aber auch Erkältungen sowie Schwächezustände bekämpfte man mit zwei bis drei kleinen Schlucken. Und in den Alpen war Schwäche allezeit möglich. Besonders, wenn man derart den steilen Berg hinaufhetzte wie Andreas.
    Nach dem Entladen der Transportseilbahn, mit der er der Einfachheit halber mitgefahren war, hatte er sich gleich auf den Weg gemacht, schräg über die Weide zum Waldrand und wieder in offenes Gelände, wobei er darauf hoffte, dass man ihn vom Groß Mittelberg aus nicht beobachtete. Dann war er steil hinauf zur Schäferhütte gegangen, wo er beim Schäfer, auf dessen Diskretion er zählen konnte, denn der war so verbockt wie seine stursten Schafe, wenn er jemanden nicht leiden konnte, eine Flasche Enzian vorbeibrachte, dann noch steiler hinauf, bis er über dem Hinteren Schafläger den Sigriswilgrat erreicht hatte, dem er nun linkerhand entlang der Schaflägerzähne und unter dem Mittaghorn folgte, ohne auch nur einen Augenblick innezuhalten. Er kannte jeden Abgrund, jede Gefahrenstelle, und die 400 Meter Felsabsturz konnten ihn nicht beunruhigen.
    Rechts unter sich sah er die Zettenalp, als ihn ein dumpfer Knall doch stutzig machte. Erst klang es wie ein bröckelnder Fels, dann wie das Echo eines entfernten Schusses, auch wenn die Jagdsaison noch nicht eröffnet war. Gut, Wilderer gab es immer wieder mal, aber doch nicht am helllichten Tag! Das Gämsfett war eine gesuchte Spezialität bei Naturheilern, deswegen riskierte jedoch keiner der Einheimischen seine bürgerliche Existenz.
    Noch ein Knall, diesmal näher und deutlich als Schuss zu erkennen. Und dann stürzte hinter dem nächsten Felsen ein Steinbock hervor, den man unter normalen Umständen nichts weniger als prachtvoll genannt hätte. Nur waren die Umstände nicht normal. Der Bock war auf der Flucht, die Schüsse hatten ihn derart aufgeschreckt, dass er mit gesenktem Kopf den Weg entlangstürmte. Als er Andreas

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