Feuerwogen
anstatt wütend zu werden, grinste der Typ ebenfalls; es war ein echtes Grinsen von Mann zu Mann. Er watete Richtung Strand.
Nick blieb, wo er war, und wartete ab, was der Fremde wohl als Nächstes tun würde.
Er kam aus dem Wasser, das ihm in Strömen die Shorts hinunterlief und sich in seinen Schuhen sammelte.
»Sie hätten mit dem Beiboot herüberrudern können«, sagte Nick.
»Hätte ich.«
Nick konnte der Stimme nicht anhören, ob der Mann ihm zustimmte oder eine Frage stellte.
Er setzte sich auf die Felsen, um die Schuhe auszuziehen. Gewöhnliche Segelschuhe, denen man ansah, dass sie ständig nass wurden. Er leerte das Wasser aus dem einen aus und steckte seinen Fuß wieder hinein.
Nick runzelte die Stirn. Etwas an den Zehen dieses Mannes …
Der schob nun auch den anderen Fuß in den zweiten Schuh.
»Oder Sie hätten im Hafen vor Anker gehen können«, fuhr Nick fort.
Der Mann ächzte und stand auf. Er war sehr groß und für einen Erwachsenen noch nicht sehr alt. »Ich suche jemanden.«
Nicks Herz hüpfte und sprang gegen seine Rippen, denn ungefähr das sagte sein Vater in seiner Vorstellung, wenn er jemals auftauchen würde, um ihn zu suchen. Es war ein dummer Traum; Nick wusste, dass das niemals passieren würde. Sein Vater machte sich nichts aus ihm.
Außerdem wusste Nick, wie sein richtiger Vater aussah. Er war im Fernsehen, um Himmels willen. Nick hatte das früher herumerzählt, aber dann wurde er nach Einzelheiten gefragt, und er wusste doch eigentlich gar nichts über seinen Vater. Aber er wusste eben, wie er aussah. Und er sah diesem Typen hier überhaupt nicht ähnlich.
Trotzdem war Nicks Mund trocken, als er fragte: »Wen denn?«
»Eine Frau.«
Nick schluckte. Okay. Er hatte nicht ernsthaft gedacht … Er hatte genau genommen nicht einmal gehofft … »Wie heißt sie denn?«
Die dunklen Augen des Mannes wurden ausdruckslos. »Wie sie heißt …«
In seiner Enttäuschung sagte Nick ein wenig zu heftig: »Sie muss doch irgendwie heißen!«
»Sie kocht«, sagte der Mann. »Sie hat für eine Hochzeit gekocht.«
Seine Mom.
Nick streckte das Kinn vor. Dieser Kerl suchte nach seiner Mutter. »Waren Sie auf der Hochzeit?«
»Ja.« Der Mann fasste ihn ins Auge und erklärte dann: »Ich bin Calebs Bruder.«
Nicks Schultern entspannten sich. Dann war es in Ordnung. Chief Hunter war total cool. Er kam ständig ins Restaurant. Manchmal ließ er Nick mit seinen Handschellen spielen.
»Das ist meine Mom«, sagte er. »Sie kocht.«
Die Augen des Mannes verengten sich. »Deine Mutter.«
Meine Güte. Musste er alles wiederholen?
»Ja. Regina Barone.«
»Und wo ist dein Vater?«
Nick seufzte. Manchmal wünschte er, sein Vater wäre tot. Nein, das stimmte nicht. Manchmal wünschte er, seine Eltern wären geschieden, eben wie die Eltern normaler Kinder, damit er nicht so viel erklären musste.
»In Boston.« Das Restaurant seines Vaters war in Boston. »Wir haben ihn verlassen.« Vor vielen Jahren, als Nick noch ein Baby war.
»Aha.« Die Augen des Mannes waren wirklich dunkel, Pupille und Iris waren nicht voneinander zu unterscheiden, wie bei einem Hund.
»Ich bin Dylan«, stellte sich der Mann vor. Er nannte seinen Vornamen, wie es einer von der Insel tun würde, und sagte nicht »Mr.« wie die meisten Erwachsenen von auswärts.
»Nick.« Er streckte ihm seine Hand hin, so, wie es ihm seine Mom beigebracht hatte.
Der Typ sah einen Moment auf Nicks Hand, dann schüttelte er sie. Seine Haut war trocken und warm.
»Willst du mich zu deiner Mutter bringen?«, fragte Dylan.
»Nick ist nicht hier«, sagte Brenda Trujillo am Telefon. »Er hat angerufen, aber Manuel hat Danny heute aufs Boot mitgenommen.«
Regina holte tief Luft, während sie versuchte, nicht in Panik auszubrechen. »Wann?«
»Ich weiß es nicht. Früh am morgen, um fünf oder …«
»Nein, ich meinte: Wann hat Nick angerufen?«
»Oh.« Lange Pause. »Ist alles in Ordnung? Du klingst …«
»Alles in Ordnung«, antwortete Regina mit zusammengepressten Zähnen. »Um wie viel Uhr hast du mit Nick gesprochen?«
»Vor einer Stunde vielleicht?«, schätzte Brenda. »Um zwei? Nicht, dass ich auf die Uhr gesehen hätte, ich …«
»Okay, danke. Sagst du mir Bescheid, wenn du ihn siehst? Oder wenn er noch mal anruft …«
»Ich habe ihm gesagt, dass er erst ab fünf wieder anrufen soll.«
Regina schwieg.
»Es ist schließlich nicht meine Aufgabe, auf anderer Leute Kinder aufzupassen«, verteidigte sich
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