Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuerwogen

Feuerwogen

Titel: Feuerwogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
Vom Netzwerk:
Sommertouristen allmählich weniger und machten den älteren, kleineren Häusern der Einheimischen Platz.
    Detective Evelyn Hall von der State Criminal Investigation Division saß auf dem Beifahrersitz. Hall, breit und wettergegerbt wie eine Scheune, war mit dem Team von der Spurensicherung angekommen. Caleb musste die Überraschung, mit der er sie von der Fähre an Land gehen sah, anzumerken gewesen sein, denn sie sagte: »Wie es aussieht, leben Frauen auf Ihrer Insel ziemlich gefährlich.«
    Caleb hatte die Stichelei sehr wohl verstanden und grimmig gelächelt. Nur ein paar Monate, nachdem er seinen Posten als Polizeichef auf World’s End angetreten hatte, war Maggie angegriffen und die nackte Leiche der Selkie Gwyneth am Strand entdeckt worden. Und nun wurde Regina vermisst.
    Evelyn hatte zunächst Caleb der ersten Taten verdächtigt. Aber sie war der einzige weibliche Polizist, der ihm zur Verfügung stand, und falls – wenn – sie Regina Barone fanden, wollte Caleb eine Frau an seiner Seite wissen.
    Hall nickte aus dem Fenster des Jeeps zu einem Haus mit spitzem Giebel, das sich über einem felsigen Abhang erhob. »Hübsch hier.«
    Ihr Tonfall war noch immer trocken, doch Caleb erkannte, dass es ein Friedensangebot war, und ging darauf ein. »Der alte Steinbruch ist heute ein Badesee – und im Winter kann man dort Schlittschuhlaufen. Hier gibt es eine Menge Ferienhäuser in der Gegend.«
    »Sie sagten, dass wir zu einem Obdachlosencamp fahren.«
    Caleb nickte. »Auf der anderen Seite. Die Minengesellschaft hat dort früher Müll abgeladen.«
    Sie fuhren an immer mehr Häusern vorbei, verfallenden Hütten; aufgegebene Anlagen und rostende Pick-ups lösten die terrassenartige Landschaft ab. Nicht alle auf der Insel hatten von den hohen Hummerpreisen und steigenden Grundsteuern profitiert. Hier traf man auf Familien, die außerhalb der Gesellschaft lebten, auf Erwachsene, die dem Alkohol zusprachen oder Drogen nahmen, und auf Kinder, die von Hirschfleisch und Zwerghummer lebten.
    Was sie zum Camp der Obdachlosen brachte, das sich wie verstreuter Müll zwischen den Felsen ausbreitete. Abfallbeseitigung war ein Problem auf den Inseln. Alles, was dorthin gebracht worden war, musste entsorgt oder verbrannt werden. Das hatte zur Folge, dass jede Menge wiederverwertbares Material herumlag. Caleb zählte einige Gebäude, die aus Sperrholz, Karton und Metallschrott bestanden; sogar ein waschechtes Zelt, dessen verblichenes blaues Nylon fleckig vor Schimmel war, hatte man unter den Kiefern aufgeschlagen.
    Die sieben Männer, die um das Feuer saßen, waren ebenso zerlumpt und heruntergekommen wie ihre Behausungen.
    Caleb stieg als Erster aus. Evelyn Hall wartete am Jeep, bei offener Tür, das Gewehr griffbereit.
    Ein dicker, muskulöser Mann mit rotem Kopftuch und grauem Pferdeschwanz erhob sich, als Caleb näher kam.
    Caleb begrüßte ihn. »Bull.«
    »Chief. Wollen Sie nach Lonnie sehen?«
    Lonnie war der Mann, der behauptete, er sei vom Teufel besessen.
    »Wie geht es ihm?«, fragte Caleb.
    Bull zuckte mit den Schultern. »Schauen Sie ihn sich selbst an.«
    Caleb fand Lonnie bei den Männern am Feuer, die Ellbogen auf die Knie gestützt, den Blick auf den Rauch gerichtet. Er sah nicht auf. Die gute Nachricht war, dass er nicht von seinem Felsbrocken zu schweben versuchte und auch nicht mit Erbsensuppe um sich spuckte.
    »Sorge dafür, dass er seine Medikamente nimmt«, sagte Caleb.
    »Ich bin doch nicht seine verdammte Krankenschwester«, murrte Bull.
    »Ich auch nicht«, erwiderte Caleb gleichmütig. »Ich möchte mit Jericho sprechen.«
    »Er ist krank.«
    Calebs Blick flog über das Camp. »Macht es euch was aus, wenn ich mich ein bisschen umsehe?«
    Bull verschränkte die fleischigen Arme über seiner massigen Brust. »Haben Sie einen Durchsuchungsbefehl?«
    »Habt ihr eine Campingerlaubnis?«, fragte Caleb zurück.
    »Fuck.«
    »Das interpretiere ich als Erlaubnis, mich umzusehen«, erwiderte Caleb.
    Er fasste die dunkle Öffnung der nächstgelegenen Behausung ins Auge, die aus dem Schatten der Bäume wie ein riesiger Pilz wuchs. Seine Erinnerung kehrte zu heißen, weißen Straßen und sich scharf abzeichnenden, schwarzen Schatten zurück, zu leeren Eingängen und blinden Fenstern, zu Scharfschützen auf den Dächern. Sein Magen krampfte sich zusammen. Er war froh, Hall und das Gewehr als Rückendeckung zu haben.
    Er duckte sich und betrat die Unterkunft, während ein Tropfen Schweiß seine Wirbelsäule

Weitere Kostenlose Bücher