Feuerwogen
geräuschvoll die Luft aus. Er würde nicht bleiben. Seinesgleichen tat das nie. Wenn er sich etwas aus ihr machte … Seine Gedanken wogten durcheinander wie Seegras. Er machte sich aus niemandem etwas. Es war nur fair, wenn er jetzt ging, bevor sie – wie hatte sie es ausgedrückt? – eine Bindung zu ihm aufbaute.
Nur, dass er natürlich nicht gehen konnte.
Er ritt auf den sich brechenden Wellen auf den verlassenen Strand zu. Conn hatte ihn damit beauftragt, herauszufinden, was die Dämonen auf World’s End suchten. Die letzten beiden Wochen hatte Dylan Augen und Ohren aufgesperrt und war über die ganze Insel gezogen, in der Hoffnung, auf eine Spur der Dämonen, auf einen Anhaltspunkt für ihre Absichten zu stoßen.
Für die unsterblichen Meeresgeborenen war Zeit nichts. Aber Dylan starb minütlich ein bisschen mehr, gefangen in seinem Menschenkörper, gefangen in einer Menschenfamilie, gefangen auf dieser verfluchten Insel, während er unfreiwillig Regina beim Herumflachsen und Arbeiten hinter dem Tresen zusehen musste, Regina mit den langen, schlanken Beinen, den starken, festen Armen, immer in Bewegung und immer außer Reichweite.
Frust ließ ihn Kurs auf die Felsen nehmen. Er zog sich auf den steinigen Strand, während die Brandung um ihn herum explodierte. Das Wasser lief ab, und Dylan stand nackt im Schaum, die Zehen mit den Schwimmhäuten in den Sand gekrallt, das Fell um die Knöchel wirbelnd.
Er bückte sich, um das Fell aus dem Wasser zu holen – und erstarrte.
Etwas stimmte nicht. Er konnte es spüren. Riechen. Er richtete sich langsam auf.
Die Luft war schwer und unbewegt. Unter der Augustsonne strahlte die Insel Hitze ab wie ein großes, atmendes Tier. Als Dylan den Wind prüfte und kostete, fühlte er das Kitzeln der Asche in seinem Rachen.
Die Härchen in seinem Nacken sträubten sich.
Dämonen.
In der Luft.
Auf der Insel.
Bei den Menschen.
Dylan fletschte die Zähne. Er holte seine Kleider aus ihrem Versteck und begann sich anzuziehen.
Endlich konnte er auf die Jagd gehen.
Regina lag ausgekühlt und eingerollt auf der Seite und klammerte sich an den Schlaf wie an eine Decke. Schmerzen tobten in ihrem Kopf, ihren verkrampfen Beinen und Schultern. Ihr Hals brannte. Ihr Mund war trocken, ihre Zunge dick und geschwollen. Sie versuchte zu schlucken, und das Feuer in ihrem Rachen weckte sie vollends auf.
O mein Gott, o mein Gott …
Und dann:
Nicky.
Der Instinkt war schneller als die Erinnerung. Sie spannte die Muskeln an. Sie musste weglaufen. Kämpfen. Nicky beschützen.
Bei dem Gedanken an ihn riss sie die Augen auf.
Dunkel. Sie befand sich irgendwo, wo es dunkel und steinig war, klamm und kalt. Sie begann zu zittern. Ein Keller? Nein. Die Luft schien von draußen zu kommen, es roch nach Erde und Felsen und Wasser. Sie konnte hören, wie Wasser plätscherte.
Wo war sie? Wo war Jericho? Warum war es so dunkel? Sie blinzelte und strengte sich an, etwas im Dunkeln zu erkennen. Selbst in einer wolkenverhangenen Nacht konnte man den Mond als Spiegelbild auf dem Wasser ahnen.
Sie drückte die Handflächen auf den kalten, ebenen Boden und rappelte sich in eine sitzende Position auf. Vorsichtig untersuchte sie ihre unmittelbare Umgebung. Sie war nicht gefesselt. Das war gut. Sie trug all ihre Kleider. Noch besser. Trotz diverser Schrammen und blauer Flecken glaubte sie nicht, vergewaltigt worden zu sein. Noch nicht.
Sie schluckte krampfhaft.
Höllenschmerzen.
Ihre aufgerissenen Lippen teilten sich lautlos. Ihr Herz pochte wie wild.
Sie durfte nicht weinen. Nicht schreien. Jericho konnte ganz in der Nähe sein. Schlief er vielleicht? Was, wenn er nur darauf wartete, dass sie aufwachte, um zurückzukommen und …
Ihre Gedanken überschlugen sich, waren schon auf dem Sprung in die nackte Panik. Er konnte ihr alles antun, was er nur wollte. Es sei denn, sie fand einen Weg, ihn zu stoppen. Zu fliehen.
Ein fast unhörbares Geräusch entschlüpfte ihrer gequälten Kehle. Die Schrammen brannten, bluteten in der Dunkelheit. Sie biss sich kräftig auf die Lippen, grub die Nägel in den von kleinen Steinen bedeckten, felsigen Untergrund, ballte die Hände zu Fäusten und zitterte in der Kälte.
Denk an Nick. Keine Panik. Denk nach.
Sie war verletzt, und es war dunkel. Sie war allein. Im Augenblick.
Okay. Besser, sie nutzte die Zeit, die ihr blieb, so gut wie möglich.
Schwankend kam sie auf die Knie.
Während Caleb landeinwärts fuhr, wurden die protzigen Cottages der
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