Feuerwogen
werden.
Sie richtete den Lauf auf ihn. »Wer ist das?«
»Sag nichts«, wies Caleb Dylan an.
Das war ihm nur recht. Er hatte genug von Menschen und Reden. Aber da war das Gewehr …
»Detective Hall«, sagte Caleb. »Mein Bruder Dylan.«
Dylan suchte ihren Blick, lächelte langsam, überlegt und sah zufrieden, wie sich der Lauf der Waffe senkte. Nur nicht weit genug.
»Was macht er hier?«, fragte sie.
»Er hilft uns bei den Ermittlungen«, antwortete Caleb.
Dylan sah der Uniform dieser Frau an, dass sie im Polizeidienst war. Würde sie Caleb gewähren lassen?
Er hörte nicht auf zu lächeln und bot all seine Kräfte auf, bis er sah, wie ihre Pupillen sich weiteten und ihre steifen Schultern sich entspannten.
»Oh«, sagte sie leise, versonnen. »Okay, das ist also … Dylan, sagen Sie?«
Dylan, der noch immer vage lächelte, nickte.
»Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen, Dylan.« Hall kicherte.
Caleb warf ihm einen strengen Blick zu. »Was hast du mir ihr gemacht?«, murmelte er.
Dylan zuckte mit den Schultern. Sie war ein Mensch und obendrein eine Frau und daher empfänglich. Vielleicht empfänglicher als die meisten, ganz und gar nicht wie … Aber der Gedanke an Regina beschwor sofort eine Art panischen Krampf in seiner Brust herauf. »Suchen wir also nach Jericho«, meinte er.
»Ja.« Caleb machte eine Kopfbewegung. »Da lang.«
Die Männer um das Feuer sahen zu – neugierig, raubtierhaft, gleichgültig –, wie sich Dylan und Caleb ihren Weg durch das müllübersäte Camp bahnten.
Caleb blieb vor einem Schuppen mit einem rostigen Metalldach stehen. Eine Lage Kartons blockierte den Eingang. Er bückte sich und zog eine Taschenlampe aus dem Gürtel. »Bleib hier.«
Der Lichtstrahl tastete sich vor ihm durch die roh gezimmerte Öffnung. Dylan wartete, bis beide verschwunden waren, bevor er sich ebenfalls bückte und seinem Bruder folgte.
Gestank stieg ihm in die Nase. Das roch nicht nach Dämon. Ganz und gar nicht. Menschliches Erbrochenes, Pisse und Schweiß. Verdorbenes, verkohltes Fleisch. Dylan würgte.
Caleb kniete über einem Haufen Lumpen im hinteren Teil des Schuppens. Er schien immun gegen den Gestank zu sein. Schwach ausgeprägte menschliche Sinne? Oder übermenschliche Selbstbeherrschung?
Dylan biss die Zähne zusammen und atmete vorsichtig ein.
Die Lumpen bewegten sich. Stöhnten. Dylan erkannte einen Stiefel, die Form eines Beins unter einer dünnen grünen Armeedecke, das Bündchen eines Ärmels, eine Hand. Er runzelte die Stirn; seine Aufmerksamkeit wurde von etwas anderem als einem Geruch oder einem Anblick gefangen genommen. Irgendetwas an dieser Hand …
Er machte einen Schritt vorwärts.
»Bleib zurück«, befahl Caleb.
»Wer ist das?«
»Jones.« Der Strahl von Calebs Taschenlampe huschte über ein mageres Gesicht, das schweißbedeckt war. »Wo ist Regina Barone?«
Der Mann krümmte sich und wandte den Kopf ab.
»Regina«, wiederholte Caleb unerbittlich. »Wo ist sie?«
Jericho starrte ihn einen Augenblick lang an. Sein Mund arbeitete. Und dann verdrehten sich seine Augen.
»Verdammt«, fluchte Caleb. »Jones?
Jones!
«
Keine Antwort.
»Besoffen«, sagte Caleb angeekelt.
Schweiß brach auf Dylans Stirn aus. Das zerrüttete, graue Gesicht seines Vaters erschien vor seinem geistigen Auge.
Das
war es, woraus er entstanden war, dachte er voller Abscheu; was ihn gezeugt hatte, wohin er zurückkehren konnte, wenn er sich in menschliche Angelegenheiten verstrickte: sterbliches Fleisch, menschliche Verderbnis.
Er zwang sich, logisch zu denken. Die Dinge leidenschaftslos zu betrachten. Schließlich gab es Unterschiede.
Anders als ihr Vater war dieser Mann hier nicht betrunken.
»Nein«, sagte Dylan.
Caleb drehte sich alarmiert um. »Du meinst, er ist besessen?«
»Ich …« Dylan atmete die übelriechende Luft durch die Nase ein. Gerüche, zäh wie Jauche, stürzten über ihn herein, schnürten ihm die Kehle zu, ließen ihn würgen … Er räusperte sich. Er konnte Kohle isolieren, einen scharfen Geruch, der sich in seine Nebenhöhlen brannte. Dämonisch, ja, schwach, aber unverkennbar. Und …
»Ich denke, dass er verbrannt ist.«
»Was meinst du mit ›verbrannt‹?«
Dylan konnte es nicht erklären. Er wusste es einfach. Er beobachtete den Mann unter der Decke. Dann griff er nach seinem knochigen Handgelenk und drehte die Hand nach oben.
Caleb sog geräuschvoll die Luft ein. »Heilige Muttergottes.«
Die Dunkelheit war schlimmer als die
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