Feuerwogen
lernt. Der Tunnel fiel ab. Die Decke berührte das Wasser. Sie saß in der Falle.
Sie verlor die Fassung, drosch mit den Händen auf die Wände und das Wasser ein, krächzend und heulend. Sie wollte hinaus. O Gott, sie musste hier raus.
Schwer atmend und fröstelnd stand sie brusttief im eiskalten Wasser. Ihr Gesicht war nass, ihr Haar, ihr klebten die Kleider am Körper. Sie biss sich auf die Lippen, die nach Blut und Salz und Untergang schmeckten.
Sie schmeckten nach Salz.
Sie hob die bebende Hand an die Lippen und saugte an ihren Fingern. Der Salzgeschmack war nun definitiv intensiver. Oder war sie einfach durstiger? Sie stand ganz still und lauschte auf ihr eigenes Echo, das von den Wänden abprallte und allmählich verhallte. Sie spürte die Bewegung des Wassers zwischen ihren Beinen. Ihr Herz hämmerte. Floss es herein oder hinaus? Sie konnte es nicht sagen. Würde sich bei Ebbe der Korridor öffnen? Hatte sie den Weg nach draußen gefunden?
Vor Kälte und verzweifelter Hoffnung zitternd tastete Regina sich in die schwarze Felsenkammer zurück, um auf den Wechsel der Gezeiten zu warten.
Dylan harrte – die Hände in den Taschen und jeden Muskel angespannt – hinter dem gelben Band aus, das den Gehweg vor dem Restaurant absperrte. Durch die Glasscheibe konnte er sehen, wie sich geschäftige Menschen mit Pinseln, Tüten und Klebeband systematisch durch den Speiseraum arbeiteten. Sie verschwendeten ihre Zeit. Sie hatten keine Ahnung, wonach sie suchen sollten. Womit sie es zu tun hatten. Fingerabdrücke und Teppichfasern würden Regina nicht zurückbringen.
Caleb hatte Freiwillige mobilisiert, um die sechsundzwanzig Quadratkilometer große Insel nach einem sorgfältig erstellten Koordinatennetz zu durchkämmen. Zunächst wollten sie sich auf die unmittelbare Umgebung des Restaurants und des Obdachlosencamps konzentrieren. Dylan wäre ihnen am liebsten nachgestürzt, hätte nur zu gern umherirrend Reginas Namen gerufen. Blinder menschlicher Aktionismus, sagte er sich. Nutzlose menschliche Gefühle.
Aber wenigstens unternahmen sie etwas.
Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Conn hatte ihn angewiesen, zu beobachten, nicht, zu handeln.
Seine Untätigkeit brachte ihn noch um. Regina war verschwunden. Vermisst. Und Dylan war sich verzweifelt bewusst, dass seine Untätigkeit auch sie umbringen konnte.
Er wünschte sich, die Fäuste gegen Jericho zu erheben, ihn blutig zu schlagen, bis der Mann gestand, was er mit ihr angestellt hatte. Jericho lag jedoch unter Bewachung in der Praxis und wartete auf den Rettungshubschrauber, der ihn zur Behandlung seiner Verbrennungen aufs Festland fliegen sollte. Selbst wenn der Mann bei sich und bei Verstand gewesen wäre, hätte er Dylan nichts sagen können, was der Selkie nicht schon wusste.
Regina war verschwunden. Und Dylan musste sie finden.
Sie war nur ein Mensch, und doch fühlte er sich ihr … irgendwie verbunden. Sie hatten eine sexuelle Beziehung. Wären seine Kräfte größer gewesen, das Band zwischen ihnen stärker, hätte er sich dessen vielleicht bedienen können, um sie aufzuspüren.
Aber die Zuneigung zwischen ihnen war zu zart, als dass er ihr hätte folgen können. Die Erinnerung an ihre großen braunen Augen, an ihr ironisches Lächeln trieb ihn um.
»Vielleicht kann ich es ja auch nicht riskieren, eine Beziehung zu dir aufzubauen.«
Er spürte beißenden Frust und, was noch schlimmer war, eine Spur von schlechtem Gewissen. Er hätte sie dazu bewegen können, ihre Meinung zu ändern. Er hätte ihr sagen, versprechen können, dass … Was? Sie war ein Mensch. Er war ein Selkie.
Sie war verschwunden.
Er musste sie finden.
»Nonna sagt, dass du weißt, wo meine Mutter ist.«
Verdutzt sah Dylan nach unten. Nick Barone stand etwas abseits des gelben Absperrungsbandes und starrte ihn finster an. Das Kinn war im klassischen Leck-mich-Winkel vorgereckt, doch in seinen Augen stand das blanke Elend.
Dylan drehte sich der Magen um. »Hat sie das wirklich gesagt?«, fragte er vorsichtig.
»Ich habe gehört, wie sie mit Chief Hunter gesprochen hat. Weißt du es?«, bohrte Nick. »Weißt du, wo meine Mom ist?«
»Nein.« So ein schales, nacktes Wort. »Aber ich werde sie finden.«
Es war irgendwie einfacher, die Versprechen, die er Regina nicht gegeben hatte, dem Kind zu geben. Ihrem Sohn.
Nick wirkte skeptisch. »Und wie?«
»Ich weiß es noch nicht«, gab Dylan zu.
Nicks Gesicht erstarrte zu einer glatten, höflichen Kindermaske. »Aha. Okay.
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